Am 9. Juni 1943, einen Tag bevor die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) aufgelöst wurde, erhielten zahlreiche jüdische Männer aus dem Bereich der Gestapoleitstelle Münster, die in sogenannter Mischehe lebten, noch ein Schreiben der RVJD-Bezirksstelle Westfalen. Sie hatten sich am 17. Juni bis 11 Uhr im Saal hinter der Gaststätte Kaiser, Schildescher Straße 47, einzufinden. Mitzuführen waren Arbeitspapiere und Arbeitszeug, Bettzeug und Lebensmittelkarten.
Die Aufsicht über das Lager wie den Arbeitseinsatz hatte die Gestapo. Vorgesehen war die “Arbeitsaufnahme” bei den Bielefelder Tiefbauunternehmen Nebelung und Pollmann. Für körperlich gebrechliche Personen sollte es leichtere Aufgaben geben. Die Versorgung erfolgte durch Sammelverpflegung.
Die genaue Anzahl der Männer, die in diesem Lager untergebracht war, ist nicht bekannt, scheint sich aber auf etwa 40-60 belaufen zu haben. Darunter befanden sich die Bielefelder Dr. Ernst Goldstein, der Herforder Walter Heinemann, der Mindener Alfred Neukamp und der Heidenoldendorfer Wilhelm Ehrmann mit seinen beiden Söhnen. Zu ihnen gehörte auch Tobias Blaustein, der zuvor noch im Lager Schloßhofstraße 73a untergebracht war, bis die Insassen Anfang März 1943 geschlossen nach Auschwitz deportiert wurden.
Die Gaststätte “Kaiser” – benannt nach ihrem Inhaber – war in den 1930er Jahren Tanz- und Veranstaltungslokal. Auch Veranstaltungen der NSDAP fanden dort statt. Letzte Inserate in der Tagespresse finden sich im Frühjahr 1943.
Mit der Verschleppung der jüdischen „Mischehepartner“ und “Mischlinge 1. Grades” am 19. September 1944 nach Elben und Zeitz scheint das Lager “Kaiser” sein Ende gefunden zu haben.
Spur aufgenommen und Recherche
Jürgen Hartmann