In Bielefeld wird offiziell eine Dienststelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) eingerichtet

Bauskizze des Hauses am Siekerwall 9, 1936.
Bauskizze des Hauses am Siekerwall 9, 1936. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten, Nr. 3457.
Villa Klasing in der Grünstraße 14: SD-Dienststelle und Ausweichort der Stapo nach dem Luftangriff auf das Gebäude am Siekerwall.
Villa Klasing in der Grünstraße 14: SD-Dienststelle und Ausweichort der Stapo nach dem Luftangriff auf das Gebäude am Siekerwall. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 11-0824-1.
Erholungsheim „Waterbör“ in Senne I, um 1925.
Erholungsheim „Waterbör“ in Senne I, um 1925. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,6/Ansichtskarten, Nr. 0842.
1. April 1934
Siekerwall 9, 33602 Bielefeld

Mit dem von Herman Göring initiierten und am 26. April 1933 verabschiedeten Gesetz über die Geheime Staatspolizei wurde das für Preußen zuständige Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) gegründet, welches fortan die Aufgabe der bisherigen politischen Polizei übernahm. Als eine von mehreren Außenstellen der neu gegründeten Behörde firmierte die bisherige politische Abteilung der Verwaltungspolizei im Polizeipräsidium Bielefeld, wobei sich die Zuständigkeit zunächst auf den Regierungsbezirk Minden beschränkte. Zugleich blieb die Zuordnung zum Regierungspräsidenten zunächst bestehen, sodass sie als Behörde eine verwaltungsrechtliche Zwitterstellung einnahm. Zu einem zumindest vorläufigen Abschluss kam dieser Prozess im Frühjahr 1934, als zum 1. April die staatlichen Polizeiverwaltungen Preußens durch Runderlasse des Ministerpräsidenten ihre politischen Abteilungen endgültig an das Gestapa verloren und diese ab sofort als eigenständige Behörden galten und zu Staatspolizeistellen oder deren Außenstellen wurden.

Personal und Dienststellen der Stapo Bielefeld

Bielefeld war die kleinste der drei westfälischen Staatspolizeistellen. Im Januar 1934 bestand die Behörde aus 14 Bediensteten, darunter alleine acht Kriminalanwärtern. Leiter war zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Stellung der Polizeipräsident Friedrich von Werder (1891-1968), der nach der Umfirmierung der hiesigen politischen Polizei von seinem bisherigen Stellvertreter Ewald Haastert (geb. 1898) abgelöst wurde. Die Leitung wechselte bis 1936 in kurzen Abständen; sie wurde in diesem Zeitraum von Dr. Bruno Backhaus (geb. 1904), Otto Bovensiepen (1905-1979) und Dr. Karl Hinkmann (geb. 1908) wahrgenommen. Von 1937 bis 1938 amtierten Gustav vom Felde (1908-1943), Anton Fest (1908-1998) und Karl Georg Eberhard Schöngarth (1903-1946), von ca. 1941 bis 1944 Ernst Diele (geb. 1905). Die Liste ist jedoch lückenhaft und bedarf der weiteren Erforschung.

Im März 1935 wurde eine Außenstelle in Detmold eingerichtet, damit war die politische Polizei für Lippe der Stapo Bielefeld unterstellt. 1936 kam Schaumburg-Lippe mit der Außenstelle Bückeburg hinzu, es entstand außerdem eine weitere in Paderborn. Im Gegensatz zu umliegenden Staatspolizeistellen wurde die Personalstärke in nur geringem Umfang erweitert. Im Juni 1935 waren es rund 18 Kräfte, die bei der Dienststelle in Bielefeld tätig waren. Im März 1937 waren es bereits 36 Personen und im August 1941 knapp 100 Bedienstete.

Umzug der Gestapo in den Siekerwall 9

Aus „Ersparnisgründen“ blieb die Stapo Bielefeld – trotz neuer Eigenständigkeit – auch nach 1934 weiterhin im bisherigen Polizeigebäude an der Viktoriastraße 9. Anfang 1936 erfolgte der Umzug in das ehemalige und zu diesem Zweck umgebaute Geschäftshaus des Fabrikanten Julius Meyer (1861-1932) am Siekerwall 9, bis das Haus bei einem Bombenangriff 1944 zerstört wurde. Übergangsweise kam man im „Upmannstift“ in der Upmannstraße 29 und wohl auch in der Bielefelder Dienststelle des Sicherheitsdienstes (SD) in der Grünstraße 14 unter, bevor man sich zum Kriegsende in das Erholungsheim „Waterbör“ in Senne I zurückzog. Einer der letzten Luftangriffe auf den Großraum Bielefeld galt am 3. März 1945 dieser Unterkunft der Gestapo.

Organisation der Deportationen

Zum 1. Juni 1941 wurde die Staatspolizeidienststelle der Leitstelle in Münster unterstellt und somit zur Außenstelle der dortigen Behörde. In dieser Funktion organsierte sie insgesamt neun Deportationen aus ihrem Zuständigkeitsbereich. Bis heute ist nicht bekannt, wie viele Juden zwischen 1941 und 1945 vom Bielefelder Bahnhof nach Riga, Theresienstadt, Warschau, Auschwitz sowie nach Elben und Zeitz verschleppt worden sind. Mehr als 1.800 von ihnen starben in den Lagern und Ghettos. Für die Aufsicht verantwortlich zeichnete der Leiter des „Judenreferats“ der Stapo Bielefeld Wilhelm Pützer (1893- 1945). Er entzog sich im April 1945 durch Suizid der Verantwortung.

Spur aufgenommen und Recherche
Helmut Henschel (Erstversion pdf)
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld

Weitere Recherchen
Martin Koch

Literatur

  • Asdonk, Jupp/Dagmar Buchwald/Lutz Havemann/Uwe Horst/Bernd J. Wagner (Hrsg.), „Es waren doch unsere Nachbarn!“, Deportationen in Ostwestfalen-Lippe 1941-1945 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 24), Bielefeld 2012.
  • Dams, Carsten/Michael Stolle, Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, München 2012.
  • Hartmann, Jürgen, Die Bezirksstelle Westfalen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland in Bielefeld 1939 bis 1943, in: Rosenland, Zeitschrift für lippische Geschichte, Nr. 25 (Juli 2021). URL.
  • Hey, Bernd, Zur Geschichte der westfälischen Staatspolizeistellen und der GeStaPo, in: Westfälische Forschungen 37 (1987), S. 58-90.
  • Kühne, Hans-Jörg: „Böse Orte”. Unbeachtete Mahnmale des Nationalsozialismus in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter 2007, Heft 2, S. 17-36.
  • Lilla, Joachim, Die staatliche Polizeiverwaltung in Bielefeld 1926-1934, in: 87. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (2001), S. 245-268.
  • Wibbing, Joachim, Vor 75 Jahren: Amerikaner bombardieren Gestapo-Außenstelle in der Waterbör, in: Neue Westfälische vom 3. März 2020.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 103,2/Hauptamt, Nr. 285,2.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten, Nr. 3457: Siekerwall 9
  • Westfälische Zeitung vom 21. September 1936. URL.
  • Westfälische Neueste Nachrichten vom 18. November 1942. URL.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 21. Februar 2023

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