Wilhelm Pützer wurde am 5. Mai 1893 in Kerperscheid (Kreis Schleiden) als Sohn eines Landwirts geboren. Pützer, von Beruf Kellner, diente von 1915 bis 1918 an der Westfront. 1921 trat er in den Dienst der Schutzpolizei in Köln. 1925 heiratete Pützer; die Ehe blieb kinderlos. 1930 wechselte er als Justizangestellter zum Amtsgericht Köln. Im Februar 1933 kam er als Büroangestellter ins Bielefelder Polizeipräsidium (Viktoriastraße 9) und wurde 1934 als Kriminalassistent übernommen.
Ob er sich für den Dienst in der Gestapo ab 1. November 1935 beworben hatte oder abgeordnet wurde, ist nicht bekannt. Pützer gehörte zur „älteren Generation“ innerhalb der Dienststelle und zu den wenigen Beamten, die eine klassische Polizeiausbildung aufwiesen. 1937 wurde er zum Kriminalsekretär befördert. Die Beförderung zum Kriminalobersekretär erfolgte im Frühjahr 1942 nach der „Abwicklung“ der ersten Deportation von Juden ins Rigaer „Judenghetto“.
Pützer, in der Brückenstraße 4 wohnhaft, war katholisch und löste sich nicht von der Kirche. Eigenen Angaben nach gehörte er vor 1933 keiner Partei an. Anders als seine Kollegen wurde er mit dem 1. November 1939 erst spät Mitglied der NSDAP (Nr. 7.273.558).
Pützer war bis Mitte 1944 als „Judenreferent“ tätig. Von Herbst 1941 bis Sommer 1943 organisierte er die Deportationen der nicht durch „Mischehe“ geschützten jüdischen Frauen und Männer.
Zu seiner späteren Aufgabe gehörte offenbar die Überwachung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie Kriegsgefangenen. Im Frühjahr 1945 kontrollierten Gestapokräfte die Lager der Region, um Plünderungen und Übergriffen in der Phase der Erosion des Regimes entgegenzutreten. Diesen „mobilen Einheiten“ stand es im eigenen Ermessen, die Todesstrafe auszusprechen und zu vollstrecken.
Am 26. März 1945, kurz vor Einmarsch der US-Truppen, war Pützer an einem sogenannten Kriegsendphaseverbrechen beteiligt. Es handelte sich um die Erschießung von sieben russischen Männern im Waldlager Künsebeck. Die Umstände seiner Festnahme sind unbekannt. Pützer erhängte sich am 17. April 1945 in einer Zelle des Gerichtsgefängnisses in Gütersloh.
Wilhelm Pützer galt als „kleiner freundlicher Mann“ (Cioma Schönhaus, Insasse des jüdischen Arbeitslagers in der Schloßhofstraße). Er stand bei zahlreichen Jüdinnen und Juden im Ruf des umgänglichen Beamten. Der Bielefelder Zionist Robert Eichengrün berichtete, Pützer habe ihm zuhause (vermutlich nach dem Synagogenbrand im November 1938) eine gerettete Thorarolle übergeben.
Aber Pützer sprach auch Drohungen aus und setzte diese um. Dem RVJD-Bezirksstellenleiter Dr. Max Ostwald drohte er 1942 bei Nichtumsetzung einer Weisung, dass er „woanders hingebracht werden könnte“. Tatsächlich wurde Ostwald kurz darauf nach Theresienstadt verschleppt.
Letztlich ist festzuhalten: Wilhelm Pützer galt als korrekter Beamter – auch im Umgang mit den Juden. Anders als sein Amtskollege Heinrich Brodesser (Gestapoleitstelle Münster) war er offenbar kein überzeugter Antisemit. Und anders als sein Nachfolger Hermann Peters und viele seiner jungen Kollegen wurde er nicht zum Dienst in einer Einsatzgruppe in der Sowjetunion abgeordnet.
Der späte Parteieintritt, die weitere Mitgliedschaft in der katholischen Kirche könnten zwar für eine gewisse Distanz zum Nationalsozialismus sprechen. Pützer war jedoch ein folgsamer Staatsdiener. Abläufe mussten funktionieren und Regeln eingehalten werden. Jenseits dieser Prämisse endete seine „Freundlichkeit“. Seine Beförderung zum Kriminalobersekretär im Frühjahr 1942 stand daher außer Frage.
Spur aufgenommen und Recherche
Jürgen Hartmann