Am 13. Dezember 1941 gegen 15:00 Uhr erfolgte die erste von insgesamt acht Deportationen aus Bielefeld. Das Ziel war Riga im baltischen Lettland. Der Zug der dritten Klasse startete in Münster, verließ am 13. Dezember 1941 um 10:00 Uhr Osnabrück und erreichte Bielefeld um 15:00 Uhr. Die Fahrt nach Riga dauerte drei Tage. Es liegen unterschiedliche Informationen vor, ob die Insassen mit Trinkwasser versorgt wurden. Unter Peitschenhieben wurden sie von dem Bahnhof Skirotava in das Rigaer Ghetto getrieben.
Mit diesem Deportationszug wurden aus den Regierungsbezirken Münster, Osnabrück, Bielefeld und dem Freistaat Schaumburg 1.031 Jüdinnen und Juden “evakuiert” – so der offizielle Ausdruck des NS-Regimes. Davon stammten 420 aus dem Gestapokreis Bielefeld (Lippe, Schaumburg-Lippe, Regierungsbezirk Minden). Wiederum etwa 80-84 Jüdinnen und Juden stammten aus der Stadt und dem Kreis Bielefeld (aktuelle Liste). Viele der im Winter 1941/1942 nach Riga deportierten Jüdinnen und Juden (etwa 20.000) wurden innerhalb weniger Monate ermordet. Nach Kriegsende kehrten nur 48 Überlebende nach Bielefeld zurück. An der Gedenkmauer im Holocaust Museum des Rigaer Ghettos werden für die Deportation „Münster-Osnabrück-Bielefeld-Riga 13.12.1941“ 102 Überlebende namentlich genannt.
In der Kriegschronik der Stadt Bielefeld (1941, S. 326 ff.) sind zahlreiche Bilder der Deportation und des Abtransports am Hauptbahnhof dokumentiert.
Schon am 10. Dezember 1941 wurden über 400 jüdische Männer, Frauen und Kinder zunächst in dem Großen Saal der Gaststätte ‚Kyffhäuser‘ am Kesselbrink untergebracht. Dort warteten Sie auf den Abtransport. Ihre abgenommenen Wertsachen mussten sie selbst quittieren, bevor sie dem Finanzamt zur späteren Versteigerung überstellt wurden. Sie kamen u.a. aus den verschiedenen „Judenhäusern“ der Stadt sowie aus dem gesamten Gebiet von Ostwestfalen.
Am 13. Dezember 1941 wurden sie auf die schmalen Bahnsteige des Güterbahnhofs gebracht. Dort mussten sie ihre zugeteilten Abteile erreichen. Die Wagontüren wurden hinter ihnen verschlossen und verplombt.
Zwischen dem 8. November 1941 und Ende Januar 1942 wurden insgesamt 25.000 – 30.000 Juden aus dem „Altreich“ im Westen in die Ghettos und Konzentrationslager zum Arbeitseinsatz in den Osten deportiert. Zuvor war am 25. Oktober 1941 das Rigaer Judenghetto mit 29.600 Jüdinnen und Juden geschlossen worden. Am 30. November („Rigaer Blutsonntag“) und 8. Dezember 1941 wurden etwa 27.500 Jüdinnen und Juden im Rigaer Ghetto von 300 deutschen Polizisten und SS-Leuten sowie 500 lettischen Hilfspolizisten ermordet, um Platz für die Deportierten aus dem westlichen Reich zu schaffen. Unter den Opfern dieses Massenmordes befanden sich auch die ersten deportierten Jüdinnen und Juden, die zuvor am 27. November 1941 von Berlin in Riga eintrafen.
Die Deportation von Bielefeld nach Riga geschah unter den Augen der Bielefelderinnen und Bielefelder: Im Kyffhäuser wurden die Jüdinnen und Juden von Gestapo-Beamten in auffälligen Ledermänteln bewacht. Es gab viele Zuschauerinnen und Zuschauer. Vielen war bewusst, dass es sich nicht nur um eine „Umsiedlung“ (Nazi-Jargon) handelte – einige begrüßten die Aktion. Vor dem Kyffhäuser am Kesselbrink verlief die Straßenbahnlinie 3, sodass die Unterbringung von der Straße aus zu beobachten war.
Seit dem 16. August 1998 erinnert das Mahnmal „Jede Ermordete, jeder Ermordete hat einen Namen“ am Bielefelder Hauptbahnhof an die insgesamt 1.840 Bielefelder und Ostwestfälischen Jüdinnen und Juden, die aus Bielefeld deportiert wurden.
Spur aufgenommen und Recherche
Jan-Willem Waterböhr, M.A.
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld
Ergänzende Recherchen
Lutz Havemann
Initiativkreis Erinnerung und Gedenken in OWL