Das Gebäude Upmannstraße 29 wird zum Dienstsitz des letzten „Judenreferenten“ der Bielefelder Gestapo, Hermann Peters

Hermann Peters, 1939
Hermann Peters, 1939. Bundesarchiv, R 9361-III-148508
Sitz der Gestapo Bielefeld ab 1944, Upmannstraße 29. Upmannstift, ca. 1944.
Sitz der Gestapo Bielefeld ab Oktober 1944, Upmannstraße 29. Upmannstift, ca. 1944. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 95-013-146
1. Oktober 1944
Upmannstraße 29, 33615 Bielefeld

Nach der Zerstörung des Gestapo-Quartiers am Siekerwall 9 durch Bomben im September 1944 bezieht der letzte „Judenreferent“ der Gestapo sein Büro im ehemaligen Altenstift Upmannstraße 29.

Zur Biographie und zum Werdegang Hermann Peters

Hermann Peters wurde am 22. Juni 1906 in Warendorf geboren. Nach verschiedenen beruflichen Stationen wechselte er schließlich zur Schutzpolizeischule nach Münster. Anschließend wurde er der Schutzpolizei in Hamm zugeteilt.

Zum 1. April 1937 trat der verheiratete und dreifache Vater seinen Dienst bei der Gestapostelle Bielefeld an. Sein Eintritt in die NSDAP ist mit dem 1. Mai 1937 verzeichnet. Innerhalb der Bielefelder Gestapo arbeitete er mit einer Unterbrechung bis Mitte 1944 im „Kirchenreferat“. In diesem Zusammenhang war Peters unter anderem auch am „Klostersturm“ in Germete und Sennelager 1939/40 beteiligt.

Dienst in der Einsatzgruppe D (1941/42)

Wie zahlreiche Kollegen aus der im Juli 1941 zur Außenstelle herabgestuften Gestapodienststelle Bielefeld wurde Peters nach dem Überfall auf die Sowjetunion zum Dienst in eine Einsatzgruppe abberufen, in seinem Fall zum Einsatzkommando 12 der Einsatzgruppe D. Dort diente Peters von August 1941 bis Frühjahr 1942. Bis Mitte April 1942 ermordete die im Bereich der Heeresgruppe Süd operierende Einsatzgruppe D fast 92.000 Menschen, zum größten Teil Juden. In verschiedenen Verfahren nach 1945 gab Peters an, nichts vom blutigen Massenmord durch Erschießen mitbekommen zu haben, er wäre als „Erntehelfer“ im Einsatz gewesen. Sein Bielefelder Kollege Fritz Koesfeld war im gleichen Kommando angeblich „Hilfsschlachter“. Angesichts der tatsächlichen Aufgaben des EK 12 erhalten diese unglaubwürdigen Aussagen eine äußerst makabre Note.

Dienst als „Judenreferent“ ab Mitte 1944

Hermann Peters kam aus dem „Kirchenreferat“, für das er nach Übernahme der nun mit wesentlich geringerem Arbeitsaufwand verbundenen „Judenangelegenheiten“ weiterhin tätig war. In seine Dienstzeit fallen zwei besondere Maßnahmen:

  1. die Verschleppung von rund 180 in „Mischehe“ lebenden Jüdinnen und Juden sowie „Mischlingen 1. Grades“ in die Arbeitslager Elben und Tröglitz am 19. September 1944 und
  2. die Deportation von 58 Frauen und Männern dieses Verfolgtenkreises ins Ghetto Theresienstadt am 13. Februar 1945.

Nicht wenige der im September zum „geschlossenen Arbeitseinsatz“ verbrachten Frauen und Männer wurden in den folgenden Wochen und Monaten wegen Erkrankung oder Reklamation ihrer vorherigen Arbeitgeber zeitweise oder dauerhaft beurlaubt und wieder in ihre Heimat zurückgeschickt. Eine Reihe von ihnen stand im Februar 1945 wiederum auf der Transportliste, als die letzte Deportation ins Ghetto Theresienstadt erfolgte.

Verfahren gegen Peters nach 1945

Nach Aussagen des letzten RVJD-Vertrauensmannes Louis Sternberg aus Paderborn wie auch zahlreicher anderer Betroffener nach dem Krieg soll Peters Bitten nach Rückstellung oder Streichung von den Listen großzügig gehandhabt haben. Sternberg stellte ihm gar einen „Persilschein“ für das Spruchgerichtsverfahren aus. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass es auch andere Stimmen gab und Peters vorgeworfen wurde, gegen Bestechung gehandelt zu haben.

Einem Freispruch des Spruchgerichts Hiddesen 1948 folgten Protestresolutionen durch jüdische Verbände. Doch auch im erneuten Verfahren 1949 konnte Peters trotz zahlreicher vernommener Zeugen Korruption oder besondere Grausamkeit nicht nachgewiesen werden. Nur wegen brutalen Vorgehens gegen Zeugen Jehovas und einen Pastor erfolgte schließlich die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft, die aufgrund der Internierung im Lager Staumühle als verbüßt galt.

Auch weitere Verfahren verliefen ohne neue Erkenntnisse und weitere Verurteilungen. 1962 wurde Peters zuletzt durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld im aufwändigen Ermittlungsverfahren wegen der Deportationen vernommen. Peters sagte dabei aus:

Die Bezeichnung ‚Endlösung der Judenfrage‘ war mir damals völlig unbekannt. […] Bei der damaligen Verschickung nach Theresienstadt sind nicht nur wir Beamte, sondern auch die Juden selbst fest davon ausgegangen, dass es sich lediglich um eine Aussiedlungsaktion handelte. […] Als ich später davon erfuhr, war ich wie jeder anständige Mensch erschüttert.“ (Hermann Peters in einer Vernehmung, 31. August 1962. LAV NRW OWL, D 21 A Nr. 4852, Bd. 2.)

Hermann Peters war zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Jahren wieder im Polizeidienst tätig. Er starb 1986.

Spur aufgenommen und Recherche
Jürgen Hartmann

Literatur

  • Angrick, Andrej, Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003.
  • Berschel, Holger, Bürokratie und Terror, Das Judenreferat der Gestapo Düsseldorf 1935-1945, Essen 2001.
  • Hartmann, Jürgen, Bürokraten der Vernichtung. Die Gestapo Bielefeld und die nationalsozialistische Judenverfolgung. (Arbeitstitel; erscheint 2024/25)
  • Hartmann, Jürgen, Ein Kollaborateur der Gestapo? Louis Sternberg aus Paderborn als Vertrauensmann der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, in: Rosenland, Zeitschrift für lippische Geschichte, Nr. 28 (2023), S. 177-213. URL
  • Wagner, Bernd J., Die Deportationen aus Bielefeld und Ostwestfalen 1941-1945, in: Asdonk, Jupp / Buchwald, Dagmar / Havemann, Lutz / Horst, Uwe / Wagner, Bernd J. (Hrsg.), „Es waren doch unsere Nachbarn!“, Deportationen in Ostwestfalen-Lippe 1941-1945 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 24), Bielefeld 2012, S. 70-127

Quellen

  • Bundesarchiv, R 9361-III-148508
  • Bundesarchiv, R 9361-IX Kartei/32081013
  • Bundesarchiv, Z 42 IV Nr. 6740
  • Bundesarchiv, R 8150 Nr. 36
  • Landesarchiv NRW Abt. OWL, D 21 A Nr. 4852
Veröffentlicht am und aktualisiert am 16. Mai 2024

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