Beata Clara Schürmann überlebte Riga nicht

Meldekarte von Klara Beate Schürmann.
Meldekarte von Klara Beate Schürmann. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.
13. Dezember 1941
Kavalleriestraße 20, 33602 Bielefeld

Beata Clara Schürmann wurde am 21. August 1882 in Halle/Westfalen geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Menke (genannt Max) Goldstein und seine Frau Mathilde. Sie war die erste von drei Töchtern, ihr folgten Meta (*1883) sowie Herta (*1888).

Heirat und Geburt der Kinder

Gemeinsam zog die Familie nach Bielefeld in die Kavalleriestr. 20. Hier heiratete Beata am 22. März 1913 den kaufmännischen Angestellten Emil Schürmann (1883-1935), der aus Osnabrück stammte und oft umsiedelte, sodass er nicht dauerhaft bei seiner Familie lebte. Beata hingegen, die unter ihrem Zweitnamen zu finden ist, zog kurz nach der Geburt des Sohnes Hans-Peter am 10. Januar 1914 in Elberfeld wieder nach Bielefeld in die Kavalleriestraße und blieb dort wohnen. Am 5. Juli 1921 kam ihre Tochter Gisela zur Welt. Ihr Ehemann starb im Februar 1935 in Chemnitz an einer Lungenentzündung.

Die Flucht der Kinder

Gisela, die als Einzige aus der Familie überlebte, erinnerte sich an die Diskriminierung in ihrer Kindheit aufgrund der jüdischen Herkunft. Nach dem Tod des Vaters, arbeitete sie, um ihre Mutter zu unterstützen, die fast vollständig erblindet war. Deshalb begann sie eine kaufmännische Lehre in der jüdischen Firma Moritz Goldschmidt, die allerdings wegen der politischen Ereignisse abbrechen musste. Die junge Frau floh kurz vor der Reichspogromnacht 1938 nach Holland. Ihr Bruder folgte ihr zwei Monate später.

In Holland angekommen, ehelichte Gisela im Jahr 1939 Reuven Laufer. Dank seines Einwandererzertifikats konnten sie nach Palästina umsiedeln und auf diesem Wege den Nationalsozialisten entfliehen. Ihr Bruder Hans-Peter blieb im Hachschara-Vorbereitungs- und Ausbildungswerkdorf, in dem die Geschwister Zuflucht gefunden hatten. Der Großteil der Juden aus dem Dorf wurde festgenommen und in Konzentrationslager deportiert, so auch Hans-Peter und Giselas Schwiegermutter sowie ihr Schwager. Das Paar versuchte, seine Familienangehörigen mittels Zertifikat zu unterstützen, durch welches die Verlegung in ein „besseres“ Konzentrationslager erwirkt werden konnte. Obwohl Gisela und Reuven mittelos waren, schafften sie es, zwei von ihnen in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verlegen zu lassen und ihnen so das Leben zu retten. Bei Hans-Peter war es bereits zu spät, denn bis der Antrag bearbeitet wurde, war er bereits in Auschwitz verstorben.

Deportation und Tod

Beata Clara Schürmann blieb in Bielefeld, als ihre Kinder flohen. In der folgenden Zeit erhielt sie Hilfe von Else Volbrecht und ihrer Tochter Waltraud, welche weiterhin mit der Familie Goldstein/Schürmann sprachen. Am 4. August 1941 musste die kranke Witwe in das „Judenhaus“ in der Koblenzer Straße 4 umziehen. Von dort aus wurde sie am 13. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Unter den deportierten Juden befanden sich auch ihre Schwestern Meta und Herta. Alle drei Frauen überlebten nicht. Ihr Tod wurde später bestätigt.

Nach dem Krieg stellte Gisela einen Antrag auf Wiedergutmachung in Bielefeld. Sie wurde für die damaligen Ereignisse entschädigt, doch sie selbst habe viel aus dieser Zeit verdrängt. Als einzige Überlebende baute sie sich nun ein neues Leben auf. Aus der Ehe mit Reuven Laufer hatte sie eine Tochter, die bereits 1975 starb, und einen Sohn. Nach der Scheidung heiratete sie Arie Grossmann, einen ebenfalls emigrierten Juden, mit dem sie zwei weitere Töchter hatte. Später nahm sie den Namen Jehudith Grossmann an und lebte in Israel.

Spur aufgenommen und Recherche
Nicole Gensior (Erstversion (PDF))
Universität Bielefeld

Weitere Recherchen
Helga Kübler
Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.

Literatur

  • Decker, Brigitte (Hrsg.), Heimweh nach Bielefeld? Vertrieben oder deponiert: Kinder aus jüdischen Familien erinnern sich (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 22), Bielefeld 2007, S. 84-89.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 4), Bielefeld 1985.
  • Niemann, Ursula, Liste der um 1933 in Bielefeld ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale sowie ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bielefeld, Bielefeld 1972.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld Bestand 104,2.1/Standesamt Bielefeld Nr.17
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 200-1913,1: Heiratsregister Bielefeld 1913, Bd. 1, Nr. 91/1913
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,3/Amt für Wiedergutmachung, Stadt, Nr. B75
  • Stadtarchiv Halle/Westf., Geburten 1974-1897, Jg. 1882/ Nr. 116
Veröffentlicht am und aktualisiert am 12. Juli 2023

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