Beata Clara Schürmann überlebte Riga nicht

Klara BEATA Schürmann geb. Goldstein 1882-1945.
Klara BEATA Schürmann geb. Goldstein 1882-1945. Stadtarchiv Halle (Westf.) - J 42-030.
Meldekarte von Klara Beate Schürmann.
Meldekarte von Klara Beate Schürmann. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.
13. Dezember 1941
Kavalleriestraße 20, 33602 Bielefeld

Bea­ta Cla­ra Schür­mann wur­de am 21. Au­gust 1882 in Hal­le/​West­fa­len ge­bo­ren. Ihre El­tern wa­ren der Kauf­mann Men­ke (ge­nannt Max) Gold­stein und sei­ne Frau Mat­hil­de. Sie war die ers­te von drei Töch­tern, ihr folg­ten Meta (*1883) so­wie Her­ta (*1888), ihr Bruder Hugo starb 16 Monate nach seiner Geburt (9. Juli 1885 – 8. Oktober 1886).

Heirat und Geburt der Kinder

Ge­mein­sam zog die Fa­mi­lie nach Bie­le­feld in die Ka­val­le­rie­str. 20. Hier hei­ra­te­te Bea­ta am 22. März 1913 den kauf­män­ni­schen An­ge­stell­ten Emil Schür­mann (1883-1935), der aus Os­na­brück stamm­te und häufig geschäftlich reiste, so­dass er nicht dau­er­haft bei sei­ner Fa­mi­lie leb­te. Bea­ta hin­ge­gen, die un­ter ih­rem Zweit­na­men zu fin­den ist, zog kurz nach der Ge­burt des Soh­nes Hans-Pe­ter am 10. Ja­nu­ar 1914 in El­ber­feld wie­der nach Bie­le­feld in die Ka­val­le­rie­stra­ße und blieb dort woh­nen. Am 5. Juli 1921 kam ihre Toch­ter Gi­se­la zur Welt. Ihr Ehe­mann starb im Fe­bru­ar 1935 in Chem­nitz an ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung.

Die Flucht der Kinder

Gi­se­la, die als Ein­zi­ge aus der Fa­mi­lie über­leb­te, er­in­ner­te sich an die Dis­kri­mi­nie­rung in ih­rer Kind­heit auf­grund der jü­di­schen Her­kunft. Nach dem Tod des Va­ters, ar­bei­te­te sie, um ihre Mut­ter zu un­ter­stüt­zen, die fast voll­stän­dig er­blin­det war. Des­halb be­gann sie eine kauf­män­ni­sche Leh­re in der jü­di­schen Fir­ma Mo­ritz Gold­schmidt, die sie al­ler­dings we­gen der po­li­ti­schen Er­eig­nis­se ab­bre­chen muss­te. Die jun­ge Frau floh kurz vor der Reichs­po­grom­nacht 1938 nach Hol­land in das Haschara-Werkdorf in Wieringen. Ihr Bru­der folg­te ihr zwei Mo­na­te spä­ter.

In Hol­land an­ge­kom­men, ehe­lich­te Gi­se­la im Jahr 1939 Reu­ven Lau­fer. Dank sei­nes Ein­wan­der­er­zer­ti­fi­kats konn­ten sie nach Pa­läs­ti­na um­sie­deln und auf die­sem Wege den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ent­flie­hen. Ihr Bru­der Hans-Pe­ter blieb im Hach­s­cha­ra-Werk­dorf. Der Groß­teil der Ju­den aus dem Dorf wur­de fest­ge­nom­men und in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger de­por­tiert, so auch Gi­sel­as Schwie­ger­mut­ter und ihr Schwa­ger. Hans-Peter wurde in Amsterdam bei einer Razzia festgenommen. Das Paar ver­such­te, sei­ne Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen mit­tels Zer­ti­fi­kat zu un­ter­stüt­zen, durch wel­ches die Ver­le­gung in ein „bes­se­res“ Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger er­wirkt wer­den konn­te. Ob­wohl Gi­se­la und Reu­ven mit­tel­l­os wa­ren, schaff­ten sie es, zwei von ih­nen in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ber­gen-Bel­sen ver­le­gen zu las­sen und ih­nen so das Le­ben zu ret­ten. Bei Hans-Pe­ter war es be­reits zu spät, denn bis der An­trag be­ar­bei­tet wur­de, war er be­reits in Ausch­witz ver­stor­ben.

Deportation und Tod

Bea­ta Cla­ra Schür­mann blieb in Bie­le­feld, als ihre Kin­der flo­hen. In der fol­gen­den Zeit er­hielt sie Hil­fe von Else Vol­brecht und ih­rer Toch­ter Wal­traud, wel­che wei­ter­hin mit der Fa­mi­lie Gold­stein/​Schür­mann spra­chen. Am 4. Au­gust 1941 muss­te die kran­ke Wit­we in das „Ju­den­haus“ in der Ko­blen­zer Stra­ße 4 um­zie­hen. Von dort aus wur­de sie am 13. De­zem­ber 1941 nach Riga de­por­tiert. Un­ter den de­por­tier­ten Ju­den be­fan­den sich auch ihre Schwes­tern Meta und Her­ta. Alle drei Frau­en über­leb­ten nicht. Ihr Tod wur­de spä­ter be­stä­tigt.

Nach dem Krieg stell­te Gi­se­la ei­nen An­trag auf Wie­der­gut­ma­chung in Bie­le­feld. Sie wur­de für die da­ma­li­gen Er­eig­nis­se ent­schä­digt, doch sie selbst hatte viel aus die­ser Zeit ver­drängt. Als ein­zi­ge Über­le­ben­de bau­te sie sich nun ein neu­es Le­ben auf und nahm den Namen Jehudith an. Aus der Ehe mit Reu­ven Lau­fer hat­te sie eine Toch­ter, die be­reits 1975 starb, und ei­nen Sohn. Nach der Schei­dung hei­ra­te­te sie Arie Gross­mann. Mit ihm und den zwei gemeinsamen Töchtern lebte sie bis zu ihrem Tod am 8. April 2004 in der israelischen Stadt Pardess Hanna.

Spur aufgenommen und Recherche
Nicole Gensior (Erstversion (PDF))
Universität Bielefeld

Weitere Recherchen
Helga Kübler
Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.

Literatur

  • Decker, Brigitte (Hrsg.), Heimweh nach Bielefeld? Vertrieben oder deponiert: Kinder aus jüdischen Familien erinnern sich (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 22), Bielefeld 2007, S. 84-89.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 4), Bielefeld 1985.
  • Niemann, Ursula, Liste der um 1933 in Bielefeld ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale sowie ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bielefeld, Bielefeld 1972.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld Bestand 104,2.1/Standesamt Bielefeld Nr.17
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 200-1913,1: Heiratsregister Bielefeld 1913, Bd. 1, Nr. 91/1913
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,3/Amt für Wiedergutmachung, Stadt, Nr. B75
  • Stadtarchiv Halle/Westf., Geburten 1974-1897, Jg. 1882/ Nr. 116
Veröffentlicht am und aktualisiert am 5. Oktober 2023

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