Im Kampf gegen den Faschismus 1933-1945 – Paul Aude

Paul Aude, 1982.
Paul Aude, 1982. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Nr. 52: StadtBlatt 4/1982
In der Freien Scholle:
In der Freien Scholle: "Die Genossenschaftsmitglieder wählten "rot" bei der letzten ‚freien‘ Wahl 1933. Im Vordergrund Willi Stumpf, Hermann Wörmann, der 1944 von den Nazis hingerichtet wurde, Hermann Heß, der nach dem Krieg von 1951 bis 1970 dem Aufsichtsrat der Freien Scholle angehörte, Paul Aude und Else Zimmermann (v.l.n.r). Gedruckt in: Freie Scholle 1986, S. 40.
Flugblatt der Bielefelder KPD, März 1933.
Flugblatt der Bielefelder KPD, März 1933. LAV NRW OWL D83 Nr. 30a.
Nachruf auf Paul Aude, in: Der „Pottkieker“ April 1982, S. 4.
Nachruf auf Paul Aude, in: Der „Pottkieker“ April 1982, S. 4. Privatbesitz: Willi Aders-Zimmermann.
14. Mai 1935
Carl-Hoffmann-Straße 16, 33609 Bielefeld

Paul Aude leistet im “5.Kanton”, einem Arbeiterviertel im Bielefelder Osten, Widerstand von 1933 – 1935 und kommt nach Gefängnis, Strafbataillon und Gefangenschaft 1947 wieder zurück nach Bielefeld.

Wer ist Paul Aude?

Am 13. August 1904 wird Paul Aude in Wismar geboren und lebt dort bis zum erfolgreichen Abschluss seiner Lehre zum Maurer. Ab 1922 bis 1935 arbeitet er in verschiedenen Unternehmen (z. B. Bielefelder Bauhütte Teutoberg). Von 1919 bis zur Zerschlagung der Gewerkschaften ist er freigewerkschaftlich organisiert. Anfang der 1920er arbeitet er in der Sozialistischen Arbeiter Jugend (SAJ). Als Mitglied der Genossenschaft Freie Scholle ist er im “5. Kanton” aktiv, zusammen mit späteren Widerstandskämpfern der KPD. Am 17 Mai 1930 heiratet er Maria Aude. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Gerhard und Helga. Er ist zunächst Mitglied im Deutschen Freidenker Verband, danach im Verband proletarischer Freidenker. 1927 bis 1933 ist er Mitglied der KPD und übt im Bielefelder Osten die Funktion als Kassierer aus.

Paul Aude 1933-1935

In Folge der Hausdurchsuchungen am 2. Februar 1933 arbeitet Paul Aude konspirativ. Er berichtet, er habe u.a. den Weitertransport von Zeitungen und anderen Materialien mit dem Kinderwagen gemacht. Sein Sohn (Gerhard, 3 Jahre alt) habe auf den Materialien gesessen.

Am 14. Mai 1935 wird Paul Aude – wie weitere 64 Personen – in Bielefeld verhaftet und in das Gefängnis an der Turnerstraße gebracht. Nach Bekanntwerden der Verhaftungen am 14. Mai 1935 demonstrieren die Frauen der Angeklagten. Der Demonstrationszug kommt bei der Firma Dürkopp vorbei. Als die Arbeiter den Grund erfahren, legen sie spontan für eine Viertelstunde die Arbeit nieder.

Im Februar 1936 werden 60 Widerstandskämpfer wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt – Paul Aude erhält sechs Jahre Zuchthaus. In der Urteilbegründung heißt es:

A. war schuldig befunden bis zur polizeilichen Festnahme am 14.5.1935 als Kassierer des Stadtteils Bielefeld Ost für die illegale KPD tätig gewesen zu sein und illegale Zeitschriften für diese vertrieben zu haben.

Paul Aude 1935-1945

Vom 14. Mai 1935 bis zum 15. Mai 1941 sitzt Paul Aude in den Strafanstalten in Bielefeld und Münster ein. Nach der Entlassung aus der Haft arbeitet er als Maurer bei der Bielefelder Firma Böttcher. Er steht nun unter Beobachtung der Gestapo. Als Wehrunwürdiger wird er am 29. Juni 1943 ins Bewährungsbataillon 999 beordert. Der Aufstellungsort Heuberg/Schleiden liegt in der Nähe der belgischen Grenze. Von dort aus muss er am 18. November 1943 ins Strafbataillon OT (Organisation Todt), eine Baubrigade, deren Einsatzort in Frankreich liegt.

Nach der Befreiung 1944

Nach der Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie endet Paul Audes Verfolgung durch die Nationalsozialisten mit der Gefangennahme am 31. August 1944 durch die britische Armee. Nach der Entlassung aus der britischen Gefangenschaft kehrt er am 7. Februar 1947 nach Bielefeld zurück. 1947 gründet er mit anderen Verfolgten die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).

Die Familie lebt in Armut. Paul Aude beantragt 1948 eine Beihilfe von 500,00 DM. In einem Schreiben Paul Audes heißt es:

“[…] Meine Kinder sind jetzt herangewachsen und benötigen dringend Neuanschaffungen, wie Betten; Kleidung usw. Da ich über keine Barmittel verfüge […]”

Bewilligt werden 200,00 DM. Zudem werden ihm 1949 nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für jeden der 82 Haftmonate eine Entschädigung von 150,00 DM gezahlt.

Im Kalten Krieg werden wieder viele Nazigegner aus den Reihen der KPD in die Illegalität gezwungen. Im Juni 1956 wird die KPD verboten. Paul Aude und Michel Knop berichten:

Man stelle sich nur vor, wie eine Gedenkfeier auf einem polizeilich abgeriegelten Sennefriedhof abläuft. Auch an den Gräbern und am Denkmal war Polizei aufgestellt, die garantieren sollte, daß weder Reden gehalten noch gesungen wurden, das war nämlich verboten. Ein polizeilich erzwungenes Schweigen auf einer Trauerfeier – eine absurde Szenerie ohne jede Achtung vor der Würde der Opfer.” (Stadtblatt 4/1982)

Bis zu seinem tödlichen Unfall am 2. April 1982 mit dem Fahrrad an der Kreuzung Heeper-/Ziegelstraße ist Paul Aude in der in Ostermarsch- und Friedensbewegung aktiv. Der Nachruf, höchstwahrscheinlich von Michel Knop verfasst, wird 1982 in der Stadtteilzeitung seiner Wohngebietsgruppe Ost der DKP veröffentlicht.

Spur aufgenommen und Recherche
Willi Aders-Zimmermann
Ar­beits­kreis „BIE­LE­FEL­DER AR­BEI­TER*IN­NEN IM WI­DER­STAND GE­GEN DEN NA­TIO­NAL­SO­ZIA­LIS­MUS“

Literatur

  • Aders-Zimmermann, Willi, Michael Knop. Widerstand und Lagerhaft in der NS-Zeit und Opposition in der BRD: Solingen 1900 – Bielefeld 1998 – Eine Spurensuche, Detmold 2021
  • Baugenossenschaft Freie Scholle (Hrsg.), 75 Jahre Freie Scholle 1911-1986 – Geschichte und Gegenwart genossenschaftlicher Selbsthilfe in Bielefeld, Bielefeld 1986
  • Benz, Wolfgang / Pehle Walter (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstandes, Frankfurt a.M. 2001.
  • Bracher, Karl Dietrich, Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus, Köln 1972
  • Klee, Ernst, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a.M. 2003.
  • Kühnl, Reinhard / Hardach, Gerd, Die Zerstörung der Weimarer Republik, Köln 1979
  • Lawan, Christian, Untersuchungen zum antifaschistischen Widerstand der KPD 1932 bis 1935 in Bielefeld, Bielefeld 1977
  • Mommsen, Hans, Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes, München 2000
  • Weisenborn, Günther, Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des Deutschen Volkes 1933–1945, Frankfurt a.M. 1974

Quellen

  • Landesarchiv NRW, Abt. OWL, Bestand D83, Nr. 30a
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,2/Zeitungen, Nr. 52: StadtBlatt 4/1982 (“35 Jahre VVN, Bielefelder Antifaschisten erinnern sich”)
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