Frauen werden oft als wichtige Unterstützerinnen für Widerstandskämpfer im Kampf gegen Faschismus vergessen. Ohne sie wäre eine Widerstandsarbeit kaum möglich gewesen. „Die im Hintergrund sieht man nicht.“ (frei nach Bertolt Brecht)
Im „5. Kanton“, ein Bielefelder Arbeiterviertel im Osten der Stadt, gibt es Widerstand. Die Frauen im Viertel leisten Widerstand. Flugblätter werden geschrieben und verteilt, beim einem Naziaufmarsch zu den Heeper Fichten legen sie rote Bettbezüge in die Fenster, sie setzen Zeichen. Nach Bekanntwerden der Verhaftung von 64 Widerstandskämpfern am 14. Mai 1935, darunter auch Paul Aude, demonstrieren die Frauen der Angeklagten. Der Demonstrationszug kommt bei der Firma Dürkopp vorbei. Als die Arbeiter den Grund erfahren, legen sie spontan für eine viertel Stunde die Arbeit nieder.
Maria Aude ist am 28. Juni 1902 in Detmold mit dem Familiennamen Meier geboren. Am 17. Mai 1930 heiratet sie Paul Aude. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Gerhard und Helga.
Im Nachruf auf ihren Mann Paul Aude heißt es:
„… Hierdurch wurde Deine Familie, d.h. Deine Frau und Kinder schwer in Mitleidenschaft gezogen.“ (Pottkieker Mai 1982)
Sie starb 1968 an einem Herzleiden. Sie wird nach dem § 1 Bundesentschädigungsgesetz als politisch Verfolgte anerkannt und bekommt eine Rente von 46,79 DM monatlich.
Ihre Kleinkinder versorgt sie in den Haftzeiten ihres Mannes Paul Aude alleine. Pro Woche erhält sie 10,50 Reichsmark als Unterstützungsleistung. Maria Aude muss während der Haftzeiten ihres Mannes zeitweilig in der Nationalsozialistischen Volksfürsorge (NSV) in einer Nähstube ohne Entgelt nähen oder in einer anderen NS-Organisation arbeiten. Sie steht unter ständiger Kontrolle der Gestapo. Der Anpassungsdruck ist hoch. Alles, was auffällt, muss vermieden werden.
“Wie lebt man als Frau eines gesuchten ‚Vaterlandsverräters‘? Welche Reaktionen gab es in ihrem sozialen Umfeld? Frauen von geflüchteten Widerstandskämpfern stehen unter ständiger Beobachtung. Nachbarn, NS-Frauenschaft und Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ziehen über ihre Außendienstmitarbeiter Erkundigungen ein. Lebenshaltung und wirtschaftliche Verhältnisse werden geprüft, Blockwarte der NSDAP geben Berichte an die Gestapo weiter. Worauf sollten Denunzianten achten? War der Haushalt in Ordnung? Spendete die Ehefrau für das Winterhilfswerk oder gab sie etwas für die zahlreichen Wertstoffsammlungen? Wurden Nationalsozialistische Zeitschriften abonniert, gingen gar Schulungsblätter ein, die über eine ernsthafte Beschäftigung mit der NS- Gedankenwelt Aufschluss gaben? Wurden NS-Veranstaltungen besucht und waren die Kinder in der Hitlerjugend.” (Aders-Zimmermann 2021, S. 70)
Der Enkel von Maria Aude berichtet, sein Vater (Gerhard Aude) habe begeistert über die Aktivitäten in der HJ gesprochen. Wie hält Maria Aude den Spagat einerseits zwischen ihrem von den Nazis verfolgten Mann und andererseits die Vereinnahmung des Sohnes durch das NS-Regime aus?
Gemäß der NS-Ideologie werden als „gemeinschaftsunfähig“ Personen benannt wie: Straftäter, politische Gegner, KZ-Häftlinge und Emigranten. Ehepartner werden bedrängt, sich scheiden zu lassen. Wird sie bei Ämtergängen diskriminiert? Wie sieht es bei Gefängnisbesuchen und Unterstützungen ihres Mannes in der Haft aus? Es ist bekannt, dass bei Besuchen im Gefängnis Frauen von Widerstandskämpfern schikaniert, bei Besuchsanträgen hingehalten, Termine verschoben wurden. Viel mehr, als nur die Frau „an seiner Seite“.
Spur aufgenommen und Recherche
Willi Aders-Zimmermann
Arbeitskreis „BIELEFELDER ARBEITER*INNEN IM WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS“