Am Tag der Kommunalwahl am 12. März 1933 hielt sich der gewählte KPD-Abgeordnete der Bielefelder Stadtverordnetenversammlung Hermann Wörmann nicht mehr in seiner Wohnung in der Althoffstraße 14 auf. Zitat aus den Wiedergutmachungsakte seiner Witwe Hedwig Wörmann:
“Nach der sogenannten Machtübernahme setzte mein Mann seinen Kampf gegen den Faschismus fort und lebte vom Tag des Reichstagsbrandes am 27. Februar 1933 an, um der Verhaftung zu entgehen, illegal, bis er schließlich am 22. Oktober 1933 zum ersten Mal verhaftet wurde.” (StArchBi, Best. 109,3, Nr. A 238)
Es ist nicht bekannt, wo und unter welchen Umständen Hermann Wörmann diese sieben Monate und 23 Tage verbracht hat. Wahrscheinlich versteckten ihn Genossen außerhalb Bielefelds. In den Akten stehen in diesem Zusammenhang die Worte: „Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen.“ Was das bedeutete, können wir nur erahnen.
Während dieser Zeit „hat Hermann Wörmann maßgeblich an dem Versuch mitgewirkt, die illegale KPD in unserer Region aufzubauen.“ Die Verteilung von Zeitungen und Flugblättern und die Sammlung von Mitgliedsbeiträgen waren wichtiger Bestandteil dieser Arbeit. Auf Grund von Denunziationen und der leichten Verfolgung dieser Strukturen gerieten die Genossinnen und Genossen rasch ins Visier der Gestapo. Ab Mitte 1933 wurde der Widerstand der KPD durch Massenverhaftungen stark geschwächt. Auch Hermann Wörmann gehörte zu den Verurteilten:
“[…] [Er] wurde durch Urteil des 2. Strafsenats beim Oberlandesgericht in Hamm vom 23. April 1934 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt. Hermann Wörmann hat die Haft in den Strafanstalten Bielefeld, Hamm und Münster verbüßt.” (StArchBi, Best. 109,3, Nr. A 238)
Ohne Gerichtsbeschluss in “Schutzhaft” genommen
Wenige Tage nach seiner Entlassung am 2. August 1935 – nach fast zwei Jahren in Gefängnissen und Zuchthäusern – wurde der Arbeiter ohne Gerichtsbeschluss wieder verhaftet. Zitat aus der Akte:
“Nach dem Schutzhaftbefehl der Gestapo in Bielefeld ist der Verfolgte am 8. August 1935 in polizeiliche Schutzhaft genommen worden und in das Polizeigefängnis in der Turnerstraße eingeliefert worden. […] Es gab keine Gewähr dafür, daß er den Verkehr mit kommunistischen Gesinnungsfreunden meiden und sich selbst staatsfeindlicher Betätigung enthalten würde. Am 15. November 1935 wird er aus der Haft entlassen.” (StArchBi, Best. 109,3, Nr. A 238)
Für Wörmann sowie für seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter begann ab 1936 aufgrund der vielen Verhaftungen eine längere Phase, in der keine organisierte Widerstandstätigkeit möglich war. Er selber „stand unter dauernder polizeilicher Kontrolle“, wurde immer wieder von der Gestapo verhört und mutmaßlich gefoltert – es fanden regelmäßig Hausdurchsuchungen beim ihm statt.
Erst ab September 1939 – dem Überfall der Wehrmacht auf Polen – kam es zu neuen Aktivitäten der Bielefelder Widerstandsbewegung. Hermann Wörmann, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter hofften, dass sie den Stimmungsumschwung in der Bevölkerung nutzen könnten. Während des Krieges hörten sie verstärkt ausländische Sender ab und versuchten die Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Hilfe von „Flüsterpropaganda“, Wandparolen und Flugblättern beispielsweise über den tatsächlichen Frontverlauf und die unbeschreiblichen Verbrechen der Nazis zu informieren. Doch der nationalsozialistische Unterdrückungsapparat ging in den letzten Kriegsjahren immer brutaler, mit härtesten Mitteln, wie der Verhängung von Todesstrafen, auch in Bielefeld gegen politische Gegner vor.
Am 21. Juli 1943 wurde Hermann Wörmann erneut verhaftet und angeklagt. Die „Westfälischen Neusten Nachrichten“ berichteten am 5. Juli 1944 über die Urteilsverkündung im ersten von zwei Gruppenprozessen des Volksgerichtshofes, die in Bielefeld stattfanden:
“Sechs Todesurteile in Bielefeld
Hochverräter vor dem Volksgerichtshof
Der Volksgerichtshof, 2. Senat, hat am 4. Juli 1944 in Bielefeld folgendes Urteil gesprochen.
Im Namen des deutschen Volkes!
Die schwer vorbestraften Angeklagten Kleinewächter, Appelfelder, Wörmann, Koch, Wolgast und Putjenter, alte organisierte oder doch gesinnungsmäßige Kommunisten haben seit 1938, teils seit 1941 feindliche, insbesondere sowjetische Rundfunksendungen abgehört, haben sie untereinander und mit anderen besprochen und haben aus dem sowjetischen Rundfunk die Befehle für den kommunistischen Aufbau in Deutschland entgegengenommen und befolgt. Sie haben sich daher des schwersten Rundfunkverbrechen, des organisatorischen Hochverrats und der Feindbegünstigung schuldig gemacht und werden daher sämtlich zum Tode verurteilt. Sie sind für immer ehrlos. Die beschlagnahmten Rundfunkgeräte werden eingezogen. Die Kosten des Verfahrens werden den Angeklagten auferlegt.”
Alle sechs Angeklagten – unter ihnen Hermann Wörmann – wurden zum Tode verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es:
“Die Angeklagten sind hartnäckige und unbelehrbare Staatsfeinde, die für die Volksgemeinschaft endgültig verloren sind. […] Wer im Kriege mit dem Feinde paktiert, von ihm Weisungen entgegennimmt und unsere Front unterhöhlt, muß fallen. Die nationalsozialistische Volksgemeinschaft hat für derartige Verräter keinen Platz.” (StArchBi, Best. 300,7, Nr. 154)
Den Vorwurf des Gerichts, dass „die Angeklagten Befehle für den kommunistischen Aufbau in Deutschland aus dem russischen Rundfunk entgegengenommen und befolgt haben“ bewerten Historikerinnen und Historiker als falsche Anschuldigung und untauglichen Versuch der Richter die Verhängung der Todesstrafen zu rechtfertigen.
Hinrichtung in Dortmund
Hermann Wörmann wurde am 15. September 1944 im Dortmunder Gerichtsgefängnis, zusammen mit weiteren acht Bielefelder Widerstandskämpfern durch das Fallbeil hingerichtet. Er hinterließ seine Frau Hedwig und ihren einzigen Sohn Herbert, der beim Untergang der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar 1945 ums Leben kam.
Im September 1946 fand am „Ehrenfeld für politisch Verfolgte“ auf dem Sennefriedhof die erste Gedenkfeier für Hermann Wörmann und weitere zwölf hingerichtete Arbeiter statt. – Seit 1957 laden jährlich die Arbeiterwohlfahrt, die SPD, der DGB und die Stadt Bielefeld dazu ein und legen Kränze an den inzwischen sechszehn Gräbern der Opfer nieder.
Die Stolperstein Initiative Bielefeld hat am 17. August 2006 in der Althoffstraße 14 („Freie Scholle“) einen Stolperstein für Hermann Wörmann verlegt.
Spur aufgenommen und Recherche
Detlev Hamann, Lutz Havemann
Arbeitskreis “Bielefelder Arbeiter*innen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus