Gustav und Henriette Boas: Alles wird versteigert

Meldekarte von Gustav Boas.
Meldekarte von Gustav Boas. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.
Anzeige zu Versteigerungen in Schildesche, im Auftrag des Finanzamts.
Anzeige zu Versteigerungen in Schildesche, im Auftrag des Finanzamts. Westfälische Neueste Nachrichten vom 20. Januar 1942. URL
August-Bebel-Straße 124, Bielefeld

Um 10:00 Uhr vormittags, am 20. Januar des Jahres 1942, begann die Versteigerung der Besitztümer von Gustav und Henriette Boas.

Gustav Boas und seine Frau Henriette betrieben gemeinsam ein Wäschereigeschäft in der Kronenstraße 4. Henriette (*16. Januar 1882 in Bielefeld) übernahm das Geschäft nach dem Tod ihres Vaters. Hirsch Strauß, ihr Vater, hatte das Geschäft gegründet. Gustavs Hintergrund hingegen liegt im Dunkeln. Wir wissen, dass er am 6. März 1879 in Konin an der Warthe geboren worden ist, einer mehrheitlich polnischsprachigen Stadt, die damals zum Russischen Kaiserreich gehörte. Das Paar heiratete am 23. Dezember 1921 in Bielefeld.

Henriette und Gustav besaßen zwar ein Geschäft – doch das bedeutet nicht, dass sie wohlhabend waren. Beide wohnten seit 1921 zur Miete in der Kaiserstraße 124 (heute: August-Bebel-Straße) und gehörten der jüdischen Gemeinde an. Ab Februar 1939 musste Gustav den Zwangsvornamen “Israel”, Henriette den Zwangsvornamen “Sara” führen. Im Dezember 1939 wurden sie gezwungen, nach über 18 Jahren ihre Wohnung im Zentrum Bielefelds aufzugeben und in eine Wohnung in Schildesche, An der Stiftskirche 11, zu ziehen. Gustav wurde 1941 zum Arbeitseinsatz eingezogen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 62 Jahre alt war. Beide wurden am 13. Dezember 1941 nach Riga deportiert und sind dort ermordet worden.

Nach der Deportation geschah mit dem Besitz, mit den Gegenständen in der Wohnung, sehr wahrscheinlich das, was mit vielen Wertgegenständen deportierter Juden geschah: Sie wurden am 20. Januar 1942 öffentlich versteigert und der Gewinn, über 1800 Reichsmark, dem Finanzamt zugeführt.

Spur aufgenommen und Recherche
David Hecken (Erstversion pdf)
Landesarchiv Nordrhein Westfalen – Abteilung OWL

Weitere Recherchen
Martin Féaux de Lacroix
Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. Bielefeld

Literatur

  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4), Bielefeld 1985.
  • Niemann, Ursula, Liste der um 1933 in Bielefeld ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale sowie ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bielefeld, Bielefeld 1972.

Quellen

  • Adressbücher der Stadt Bielefeld 1933 und 1938.
  • Central Tracing Bureau UNRRA Central Headquarters for Germany, APO 757 U.S. Army, No. 122127/8, CR. 584 122127/8-T – Arolsen Archives, 6.3.1.1., Sign. 6311009643.
  • LAV NRW OWL, D 26, Nr. 239: Kontobuch für die abgeschobenen Juden, 1942.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,1/Ordnungsamt, Nr. 1181: Jüdische Gewerbekartei.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 100-1882,1: Geburtsregister Bielefeld 1882, Bd. 1, Nr. 57/1882.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 200-1921,4: Heiratsregister Bielefeld 1921, Bd. 4, Nr. 1010/1921.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 23. Februar 2023

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