Robert und Sophie Heine

Meldekarte von Robert Heine.
Meldekarte von Robert Heine. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958
9. November 1938
Niedernstraße 24, 33602 Bielefeld

Robert Heine wurde am 15. November 1891 als Sohn von Simon und Jenni Heine, geborene Schönfeld, in Bielefeld geboren. Er wurde von Beruf Handlungsgehilfe und arbeitete vor 1909 u.a. in Detmold (später auch kurzzeitig in Münster). In jenem Jahr kehrte er nach Bielefeld zurück.

Seine Ehefrau Sophie Cohen (*17. April 1896) stammte aus Bonn. Sie heirateten am 29. Oktober 1920. Kurz danach zog Sophie im November 1920 von Essen zu ihrem Mann nach Bielefeld in die Neuenkirchener Straße 2. Die beiden wechselten in den kommenden Jahren häufiger den Wohnort innerhalb Bielefelds, waren aber nie getrennt. Dies änderte sich Ende des Jahres 1938, als Sophie kurzzeitig als Hausangestellte im Jüdischen Waisenhaus in Paderborn (in der Sudetendeutschen Straße 3) tätig war. Sie kehrte im Februar nach Bielefeld zurück. Zuletzt lebte das Paar in der Niedernstraße 24. Zuvor hatte Sophie Heine bis zum 1. April 1937 nach fast sieben Jahren als Inhaberin eine Eisengroßhandlung am Güterbahnhof in Bielefeld aufgegeben und einen Monat später abgemeldet. Ob der Betrieb arisiert wurde, ist derzeit unklar. Parallel hatte sie von 1932 bis 1936 wiederholt als Aushilfe im Kaufhaus Alsberg gearbeitet, womöglich im Rahmen von Inventurarbeiten.

Auch in Bielefeld brannte in der Pogromnacht am 9. November 1938 die Synagoge in der Turnerstraße. Im Anschluss an das Pogrom ist Robert in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert worden, wie 405 andere jüdische Männer aus Ostwestfalen-Lippe. Nachdem er nach Bielefeld zurückgekehrt war, wurde er zum „Arbeitseinsatz“ gezwungen, also zu Zwangsarbeit. Unterdessen zog die jüdische Gemeinde nach der Vernichtung der Synagoge notgedrungen in das Haus der ehemaligen Wäschefabrik Stern in die Laerstraße 9. Als Behelfssynagoge und Klassenzimmer für die jüdischen Kinder Bielefelds, die „arische“ Schulen nunmehr nicht besuchen durften, fungierte der Ladenraum des ehemaligen Geschäfts von Louis Goldschmidt in der Steinstraße 7. Neben der alten Synagoge in der Turnerstraße 7 befand sich die einzige noch für Juden zugängliche alkoholfreie Wirtschaft Bielefelds – diese wurde von Robert und Sophie Heine betrieben. Die Wirtschaft sowie ihre Wohnung im selben Gebäude sind vermutlich im Rahmen des Pogroms am 9. November 1938 abgebrannt – die Wirtschaft wurde am 10. November 1938 aufgegeben und am 2. März 1939 abgemeldet.

Am 14. April 1939 hatten Robert und Sophie Heine um Unbedenklichkeitserklärungen zur Emigration nach Shanghai gebeten. Offensichtlich ohne Erfolg, denn beide wurden am 13. Dezember 1941 in das Ghetto von Riga deportiert. Man hat nie wieder von ihnen gehört.

Spur aufgenommen und Recherche
David Hecken
Landesarchiv Nordrhein Westfalen – Abteilung OWL

Weitere Recherchen
Saskia David-Gaubatz
Landesarchiv Nordrhein Westfalen – Abteilung OWL,
Jan-Willem Waterböhr
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld

Literatur

  • Asdonk, Jupp / Buchwald, Dagmar / Havemann, Lutz / Horst, Uwe / Wagner, Bernd J. (Hrsg.), „Es waren doch unsere Nachbarn!“ – Deportationen in Ostwestfalen-Lippe 1941-1945 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 24), Bielefeld 2012.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4) Bielefeld 1985.
  • Minninger, Monika / Stüber, Anke / Klussmann, Rita (Ed.), Einwohner – Bürger – Entrechtete. Sieben Jahrhunderte jüdisches Leben im Raum Bielefeld (Beiträge zur Bielefelder Stadt- und Regionalgeschichte 6) Bielefeld 1988.
  • Minninger, Monika, Verlorener Raum. Geschichte der Bielefelder Synagoge 1905 – 1938 – 2005, Bielefeld 2006.
  • Niemann, Ursula, Liste der um 1933 in Bielefeld ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale sowie ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bielefeld, Bielefeld 1972.

Quellen

  • LAV NRW, Abt. OWL, Bestand D 26 Bielefeld-Innenstadt, Nr. 132.
  • Adreßbücher des Stadt- und Landkreises Bielefeld 1936, 1938, 1940.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,1/Ordnungsamt, Nr. 1181: Jüdische Gewerbekartei.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958
  • 4,2.20/Standesamt, Personenstandsregister, Nr. 100-1891,2: Geburtsregister Bielefeld 1891, Bd. 2, Nr. 1409.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,60/Kaufhaus Alsberg, Nr. 1: Personalbuch, 1900-1938 (1966)
Veröffentlicht am und aktualisiert am 15. Februar 2022

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