Leo Sondermann wird von Bielefeld nach Riga deportiert

Meldekarte von Leo Sondermann
Meldekarte von Leo Sondermann. Stadtarchiv Bielefeld Bestand 104,003/Meldekartei, Nr. 18
13. Dezember 1941
Laerstraße 12, 33615 Bielefeld

Leo Sondermann wurde am 15. August 1879 in Aachen geboren. Er war im Ersten Weltkrieg Soldat und kam am 25. Januar 1918, vor Ende des Krieges, aus Brüssel nach Bielefeld.

Auf seiner Meldekarte in Bielefeld wird als Beruf ‚Reisender‘ (Reisevertreter) angegeben. Nach zwei Umzügen wohnte Leo Sondermann ab dem 15. März 1927 in der Laerstr. 12. Seine Vermieterin, Johanna Dreyer, ebenfalls Jüdin, gab am 4. September 1939 in einem Brief an den Oberbürgermeister Auskunft über ihre Wohnsituation und meldete Leo Sondermann als ihren Untermieter.

In der Laerstr. 9, gegenüber seiner Wohnung, wohnte seine Schwester Julie Stern geb. Sondermann (*1. April 1874 in Aachen). Sie war die Witwe von Gustav Stern und leitete als Kauffrau die Firma „Stern und Sohn“. Ihre Töchter Martha (*28. September 1899, verheiratete Leffmann) und Alice (verheiratete Meyer-Michael) wohnten ebenfalls in Bielefeld.

Leos Nichte Alice hatte mit ihrem Mann, dem Künstler Wolfgang Meyer-Michael, zwei Töchter: Susanne (*12. Februar 1923) und Sabine (*25. Oktober 1925). Die Eltern wanderten zunächst (1935 und 1936) ohne ihre Kinder nach Palästina aus. Die beiden Mädchen blieben bis zu ihrer Übersiedlung nach Palästina (1937) vorübergehend bei der Großmutter Julie Stern in Obhut.

Die Großnichte von Leo, Sabine, schrieb am 7. Dezember 2002:

Als meine Eltern längst in Palästina waren, um ein neues Zuhause für uns alle aufzubauen und uns nachkommen zu lassen, wohnten meine Schwester und ich bei unserer Großmutter, gen. Oma Julchen, und ihrer unverheirateten Tochter Martha […]. Fast hätte ich unseren Onkel Leo Sondermann vergessen, der öfters zu seiner Schwester Julchen kam, um Karten mit uns Kindern zu spielen. Er verschwand 1940 spurlos, und ich erfuhr erst vor drei Jahren, dass er nach Riga abtransportiert worden war. Da er Junggeselle war, hat nie jemand nach ihm gesucht.“ (Decker 2007, S. 31, 33)

Trotz der nachweislich engen Verbindungen zwischen den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in den Straßen Goldbach und Laerstraße ist Leo Sondermann am Ende allein:

Seine Schwester Julie starb am 19. Februar 1940. Deren Tochter Alice wanderte bereits 1936 nach Palästina aus. Tochter Martha heiratete 1941 Hugo Leffmann. Das Ehepaar wurde 1942 über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie ermordet. Die Familie Kronheim konnte 1939 in die USA fliehen. Familie Ilgner floh vor der Deportation in den Tod.

Leo musste lt. Meldekarte der Stadt Bielefeld die Laerstr. 12 verlassen und am 1. März 1940 für mehr als eineinhalb Jahre im sog. „Judenhaus“ in der Koblenzer Straße 4 wohnen. Er wurde am 13. Dezember 1941 nach Riga deportiert und ermordet. Das genaue Datum seines Todes ist unbekannt.

Am 16. Dezember 2021 wurde für Leo Sondermann in der Laerstraße 12 ein Stolperstein verlegt.

Spur aufgenommen und Recherche
Christiane Wauschkuhn
Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.

Literatur

  • Decker, Brigitte (Hrsg.), Heimweh nach Bielefeld. Vertrieben oder deportiert: Kinder aus jüdischen Familien erinnern sich (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 22), Bielefeld 2007.
  • Minninger, Monika (Hrsg.), Aus einer Hochburg des Reformjudentums. Quellensammlung zum Bielefelder Judentum des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2006.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm, Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 4), Bielefeld 1985.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 101,5/Geschäftsstelle I, Nr. 551: Wohnungsangelegenheiten jüdischer Personen
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 4. Dezember 2023

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