Dr. med. Heinrich Jansen – jüdischer Patient in Bethel

Das Haus Morija, heute Gilead IV, in den 1940er Jahre. Die Rückseite des Hauses, mit dem großen, parkähnlichen Garten.
Das Haus Morija, heute Gilead IV, in den 1940er Jahre. Die Rückseite des Hauses, mit dem großen, parkähnlichen Garten. Hauptarchiv Bethel, FD 1198.
Stolperstein für Heinrich Jansen vor dem historischen Haus des heutigen Gilead IV.
Stolperstein für Heinrich Jansen vor dem historischen Haus des heutigen Gilead IV. Bildrechte: P+K Bethel.
21. September 1940
Remterweg 69, 33617 Bielefeld

Obschon es meinem Sohn bei Ihnen sehr gut gefallen hat und er es wirklich gut hatte, möchten wir doch für die Zukunft ihn lieber in einem jüdischen Heim unterbringen, da er noch sehr religiös und gerne an Sonn- und Feiertagen das Gotteshaus besuchen möchte. Er würde es auch vorziehen, unter seinen Glaubensgenossen zu leben. Man kann nicht wissen, was die Zukunft bringt“,

so schreibt der Vater von Heinrich Jansen im Jahr 1936 an die Anstalt Bethel.

Das Leben von Heinrich Jansen in Bethel

Seit Juni 1932 lebte der promovierte Mediziner Heinrich Jansen in Bethel. Die Diagnose: Schizophrenie. Der 1895 in Geseke, im Kreis Lippstadt geborene Heinrich Jansen wurde gleich nach der Schule als Soldat in den Ersten Weltkrieg eingezogen. Traumatisiert kam er zurück: Er war verschüttet, seine Füße erfroren und es mussten ihm Zehen abgenommen werden. Sein Bruder fiel schon 1916 an der Ostfront. Bereits vor seiner Einweisung in Bethel wurde Heinrich Jansen in anderen psychiatrischen Einrichtungen behandelt. Nun lebte er zunächst im Pflegehaus Morija, später dann in Eckehardt und im Heidegrund in der Zweiganstalt Eckardtsheim in der Senne. Seine Eltern hatten längst ihren letzten Wohnort Gelsenkirchen verlassen und lebten in Nizza oder Schevening. Von dort aus standen sie in regem Briefkontakt mit Bethel und kümmerten sich rührend um ihren erwachsenen Sohn. Sie erkundigten sich stets nach seinem Befinden und hatten, um seinen Anstaltsaufenthalt zu sichern, Geld in Bethel angelegt. Das sicherte Heinrich Jansen bis August 1940 den Status eines Privatpatienten – auch als das Vermögens des Vaters im Herbst 1939 beschlagnahmt wurde.

Denn der Wunsch des Vaters, seinen Sohn 1936 in die Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Sayn bei Koblenz verlegen zu lassen, war schnell vom Tisch. Gleich nach einem zweiwöchigen Besuch bei seinen Eltern im Herbst 1936 in Holland schrieb der Vater nach Bethel:

Mein Sohn will aber lieber in Bethel bleiben, weil es ihm dort sehr gut gefällt und sagt, dass die Behandlung dort sehr gut ist. Nun haben wir uns aber entschlossen, ihn wieder nach Morija zu geben. Wenn es auch etwas mehr kostet und wenn er uns sagt, dass seine Beschäftigung hauptsächlich in Kartoffelschälen bestände, kann er sich in Morija mit Holzhacken und Gartenarbeit beschäftigen.

Sonderaktion gegen jüdischen Anstaltspatientinnen und -patienten

Im Haus Morija konnte Heinrich Jansen noch bis September 1940 leben. Dann wurde er Opfer der Sonderaktion gegen jüdische Anstaltspatientinnen und –patienten im Rahmen der „Aktion T4“. Das Reichsinnenministerium hatte verfügte, dass jüdischen Anstaltspatienten nicht mehr mit nicht-jüdischen Patientinnen und Patientenzusammenleben durften. Nach einer ersten Verlegung in die staatliche Einrichtung Wunstorf sollte es in eine nicht näher bezeichnete Sammelanstalt gehen. Am 21. September 1940 wurde der 45-jährige Heinrich Jansen von Bethel nach Wunstorf gebracht, von dort aus führte der Weg für die jüdischen Patientinnen und Patienten wenige Tage später in die Tötungsanstalt Brandenburg/Havel. Heinrich Jansen wurde dort wahrscheinlich noch am selben Tag ermordet. Seit dem 11. Februar 2019 erinnert ein Stolperstein an Dr. Heinrich Jansen.

Spur aufgenommen und Recherche
Kerstin Stockhecke
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel

Literatur

  • Kaminsky, Uwe, Paternalistische Verschwiegenheit. Bethel, die Zwangssterilisation und die NS-„Euthanasie“, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 89 (2020), S. 69-87.
  • Stockhecke, Kerstin, September 1940: Die „Euthanasie“ und die jüdischen Patienten in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, in: Brack, Claudia / Burkardt, Johannes / Burkardt, Wolfgang Günther / Murken, Jens (Hrsg.), Kirchenarchive mit Zukunft. Festschrift für Bernd Hey zum 65. Geburtstag, Bielefeld, S. 2007, S. 131-142.

Quellen

  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (HAB), Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 1.
  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (HAB), Bethelkanzlei 1, 38.
Veröffentlicht am

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