David Koplewitz: Ein staatenloser Ausländer in Bielefeld

Auszug aus dem Hausbuch Lohkampstraße 21, als David Kolpewitz dort vom 6. Januar 1932 bis zum 19. November 1938 wohnhaft war. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,003/Einwohnermeldeamt, Nr. 1454.
13. November 2021
Mühlenstraße 7, 33607 Bielefeld

David Koplewitz stammte aus Działosyn, einer Kleinstadt, welche zur Zeit seiner Geburt (18. Juni 1898) zum Gouvernement Kalisch im Russischen Kaiserreich gehörte. Damals waren über 7,5 % der Einwohner des Gouvernements Juden. Über seine Familie ist darüber hinaus nichts bekannt.

Im Gedenkbuch des Bundesarchivs wird als Geburtsort Königshain bei Glatz in Niederschlesien angegeben. Hierbei dürfte es sich indes um eine Verwechslung handeln: Die Literatur nennt überall sonst verlässlich „Dzialosyn“ als Geburtsort. Heute trägt ein Ort in der polnischen Lausitz diesen Namen, der zu deutscher Zeit „Königshain“ hieß. Wiederum ein anderes Königshain ist das Genannte bei Glatz in Niederschlesien, welches heute auf Polnisch allerdings nicht Działosyn, sondern Wojciechowice heißt. Diese beiden Orte aber trugen bis 1945 keinen anderen Namen als den Deutschen. Auch gab es weder in der Lausitz, noch in Niederschlesien nennenswerte polnische Minderheiten. Außerdem lassen weitere Umstände darauf schließen, dass David Koplewitz nicht im Deutschen Kaiserreich geboren worden ist – so galt er in Bielefeld als „staatenloser Ausländer“, wahlweise mit russischer oder polnischer Herkunft, was klar gegen einen Geburtsort in Niederschlesien spricht. Unklar ist, wann er nach Deutschland kam. Vieles spricht dafür, dass dies vor 1919 geschehen sein muss, denn zu diesem Zeitpunkt wurde Działosyn Teil des wiedererrichteten polnischen Staates, nachdem die russische Untertanenschaft im Zuge der Oktoberrevolution erloschen war und erst 1924 durch die sowjetische Staatsbürgerschaft ersetzt werden sollte. Daher wurde David Koplewitz im Deutschen Reich als staatenloser Ausländer geführt.

Bekannt ist, dass es David Koplewitz nach Nürnberg verschlug. Hier heiratete er die 1903 geborene Erna Uhlfelder, mit der er 1932 eine Tochter (Edith) bekam. Kurz darauf ist er in Bielefeld nachweisbar. Bislang war unklar, wann David Koplewitz nach Bielefeld gelangt ist. Eine Recherche in den Adressbüchern der Stadt Bielefeld stellt hingegen klar: Er ist im Jahr 1932 oder 1933 zugezogen, denn das Adressbuch von 1933 (wie auch dessen Nachfolger von 1934/35, 1936 und 1938) nennen einen David Koplewitz, Arbeiter, wohnhaft Lohkampstraße 21. Erst das Adressbuch 1940 macht aus ihm einen Dawid Israel Koplewitz, wohnhaft Teutoburger Straße 47.

Ende Oktober 1938 wurden in der sog. Polenaktion über 17.000 Juden polnischer Herkunft verhaftet und über die Grenze nach Polen abgeschoben. Auch aus Bielefeld wurden 13 staatenlose Juden abgeschoben – etwas merkwürdig ist, dass David Koplewitz hiervon nicht betroffen war. 1941 wurde David in das „Judenhaus“ Mühlenstraße 7 eingewiesen. Es ist anzunehmen, dass er hier Zwangsarbeit hat leisten müssen, denn er wird als „Tiefbauarbeiter“ geführt. Kurz darauf ist er zusammen mit den anderen Bielefelder Jüdinnen und Juden In das Rigaer Ghetto deportiert worden. Hier war er dann Überlebenden des Holocaust zufolge mit seiner Frau und seiner Tochter wiedervereint, die eine Woche zuvor aus Nürnberg nach Riga deportiert worden waren. Alle drei sind hier verstorben.

Spur aufgenommen und Recherche
David Hecken
Landesarchiv Nordrhein Westfalen – Abteilung OWL

Literatur

  • 9.11.1938. Reichspogromnacht in Ostwestfalen-Lippe (Gemeinsames Ausstellungsprojekt von Archiven in Ostwestfalen-Lippe), Detmold 2008.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4) Bielefeld 1985.
  • Niemann, Ursula, Liste der um 1933 in Bielefeld ansässig gewesenen Juden und ihre Schicksale sowie ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bielefeld, Bielefeld 1972.
  •  Asdonk, Jupp / Bachmann, Dagmar / Havemann, Lutz / Horst, Uwe / Wagner, Bernd J. (Hrsg.), „Es waren doch unsere Nachbarn!“. Deportationen in Ostwestfalen-Lippe 1941-1945, Bielefeld 2012.
  • Minninger, Monika, Verlorener Raum. Geschichte der Bielefelder Synagoge 1905 – 1938 – 2005, Bielefeld 2006.

Quellen

  • Adressbücher der Stadt Bielefeld von 1933, 1934/1935, 1936, 1938 und 1940.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 14. Dezember 2021

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