Bernhard Zawacki wurde hingerichtet, weil er aussprach, was er dachte

Stolperstein verlegt für „Bernhard Zawacki“ am 08. Juni 2021 in Sennestadt in der Bleicherfeldstr. 16.
Stolperstein verlegt für „Bernhard Zawacki“ am 08. Juni 2021 in Sennestadt in der Bleicherfeldstr. 16. Privatbesitz Lutz Havemann.
Grabstein für „Bernhard Zawaki“ im Ehrenfeld für Politische Verfolgte auf dem Sennefriedhof. Zawacki war das letzte dieser Opfer, deren hier gedacht wird, für den ein Stolperstein verlegt wurde.
Grabstein für „Bernhard Zawaki“ im Ehrenfeld für Politische Verfolgte auf dem Sennefriedhof. Zawacki war das letzte dieser Opfer, deren hier gedacht wird, für den ein Stolperstein verlegt wurde. Privatbesitz Lutz Havemann.
Gedenkstein und Grabsteine für die inzwischen 14. Opfer des Nationalsozialismus auf dem Sennefriedhof.
Gedenkstein und Grabsteine für die inzwischen 14. Opfer des Nationalsozialismus auf dem Sennefriedhof. Privatbesitz Lutz Havemann.
Details des Gedenksteins für die inzwischen 14. Opfer des Nationalsozialismus auf dem Sennefriedhof.
Details des Gedenksteins für die inzwischen 14. Opfer des Nationalsozialismus auf dem Sennefriedhof. Privatbesitz Lutz Havemann.
18. Oktober 1943
Bleicherfeldstr. 16, 33689 Bielefeld

Vor dem Haus „Senne II – Nr. 323“ (heute Bleicherfeldstr. 16 in Sennestadt), in dem Bernhard Zawacki mit seiner Familie bis zu seiner Verhaftung im Oktober 1943 gelebt hatte, wurde im Juni 2021 ein Stolperstein verlegt:

Im Sommer 1943 kamen in der Wohnung der Familie Schmidt in Senne II wiederholt mehrere Jugendliche – jeweils 6 bis 10 an der Zahl – zum Kartenspiel und sonstigen Zeitvertreib zusammen. Dazu fand sich hin und wieder auch der Angeklagte Bernhard Zawacki, der im selben Haus wohnte, ein. Bei dieser Gelegenheit führte er häufig zersetzende Reden kommunistischer Prägung. So brüstete er sich vor der Jugend voller Stolz damit, daß er früher Kommunist gewesen und wegen seiner Tätigkeit in der KPD mehrmals festgenommen und bestraft worden sei. Weiter bedauerte er es, daß ‚man die Juden so herangenommen habe‘, man hätte bei ihnen billig kaufen können, und fügte hinzu: ‚Wenn der Krieg einmal verloren gehe, würde sich der Jude rächen und es so machen, wie es mit ihm geschehen sei‘.
Auch auf die Kriegsereignisse kam der Angeklagte zu sprechen, wobei er sich besonders über die Ereignisse im Osten ausließ. […] ‚Es ist ganz richtig, daß unsere Truppen zurückgehen, die müßten noch mehr kriegen, dann ist der Russe in 2 Monaten hier und den Parteileuten und Dickbälgen geht es an den Kragen. Wenn die Russen kommen, brauchen wir weniger zu arbeiten und kriegen mehr zu fressen.‘” (Urteil des Reichsgerichtshofes gegen Bernhard Zawacki vom 22. März 1944)

Bernhard Zawacki wurde am 15. Juni 1899 in Graudenz damals Westpreußen geboren (heute: Grudziądz – Stadt in Polen). Als Sechszehn- oder Siebzehnjähriger wurde Zawacki Soldat im Ersten Weltkrieg, vorher hatte er in Dortmund auf verschiedenen Zechen gearbeitet. Nach Kriegsende kehrte er ins Ruhrgebiet zurück und verdiente wieder als Zechenarbeiter sein Geld. Ab 1926 war Bernhard Zawacki teilweise arbeitslos oder verbüßte Haftstrafen. In dieser Zeit muss er Kontakt zur Kommunistischen Partei Deutschland aufgenommen haben. Er gehörte einem Musikkorps der KPD sowie der Roten Hilfe an und nahm an Aufmärschen und Versammlungen dieser Partei teil. Im Jahr 1940 kam der Hilfsarbeiter nach Bielefeld und wurde im Oktober dieses Jahres von der Firma Raba in Senne II eingestellt.

Ab 2. September 1942 gehörte er der Belegschaft der Firma “Graphia” Hans Gundlach & Co in Brackwede (Abteilung: “Rillerei”) an. Das Datum seiner Hochzeit ist uns nicht bekannt. Mit seiner Ehefrau Franziska Zawacki geb. Lewandowski hatte Zawacki vier Kinder, die zur Zeit der Hauptverhandlung vor dem Reichsgerichtshof 1944 zwischen zwölf und zwanzig Jahre alt waren. Politisch stand Bernhard Zawacki der KPD nahe. Wahrscheinlich war er auch Mitglied der KPD, was er vermutlich aus Gründen des Selbstschutzes vor den Richtern des Reichsgerichtshofes verschwieg. Es nahm an Demonstrationen und Versammlungen dieser Partei teil. 1930 und 1931 war er bei einer dieser Aktionen von der Polizei verhaftet worden. Von 1927 bis 1930 gehörte er der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) an, einer politischen Hilfsorganisation, die der KPD nahestand und von 1924 bis 1936 bestand. Nach eigener Aussage vor Gericht wurde er aus der Roten Hilfe ausgeschlossen, weil er als Spitzel der SA galt.

Am 18. Oktober 1943 wurde Zawacki festgenommen. Es ist nicht überliefert, ob die Gestapo nach ihm gefahndet hat oder ob er denunziert wurde. Außerdem ist unbekannt, in welches Gefängnis in Bielefeld oder Umgebung er gebracht wurde. Fast fünf Monate später, am 7. März 1944, wurde er in die Strafanstalt Plötzensee in Berlin eingeliefert. Laut den Gerichtsakten befand sich Zawacki während der Hauptverhandlung vor dem 3. Senat des Reichsgerichtshofes im März 1944 in „gerichtlicher Untersuchungshaft“.

Das NS-Gericht verurteilte Bernhard Zawacki „im Namen des Deutschen Volkes“ zum Tode. Zitat aus dem Urteil:

Der Angeklagte Bernhard Zawacki, ein alter Kommunist, hat im Jahre 1943 vor allem in Gegenwart von Jugendlichen kommunistische und defätistische Propaganda betrieben. Er hat sich hierdurch der Vorbereitung zum Hochverrat und der Wehrkraftzersetzung schuldig gemacht und wird zum T o d e verurteilt. Die Ehrenrechte werden ihm für immer aberkannt.

Wenige Tage nach der Verkündung des Urteils am 25. März 1944 wurde Zawacki, wegen angeblicher Überlastung des Berliner Henkers, von der Strafanstalt Plötzensee in das Zuchthaus Brandenburg-Görden verlegt. Hier wurde der Häftling Nr. 2432/43 am 2. Mai 1944 gegen 15 Uhr in der NS-Hinrichtungsstätte durch den Scharfrichter Willi Röttger hingerichtet. Gemeinsam mit Zawacki wurden an diesem Tag weitere zwanzig Männer durch das Fallbeil zu Tode gebracht.

Spur aufgenommen und Recherche
Lutz Havemann (Erstversion (PDF))
Initiativkreis Erinnern und Gedenken in OWL

Literatur

  • „Warnung vor plumpen Parolen – Gedenkfeier am Ehrenmal der politischen Verfolgten.“, Neue Westfälische vom 15.09.2004.

Quellen

  • Amt für Geoinformation und Kataster, Stadt Bielefeld: Karten von „Senne II“ bzw. „Sennestadt“ („Senne II – Nr. 323“ bzw. „Bleicherfeldstr. 16) vor 1945 und nach 1950 verbessert.
  • Bundesarchiv (SAPMO), Bestand DY 55/Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Nr. 2809: Zawacki, Bernhard. URL
  • Personalkarte von Bernhard Zawacki, MM Graphia Bielefeld GmbH (Personalabteilung, letzter Eintrag am 2. Mai 1944).
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 120,3/Amt für Wiedergutmachung, Kreis, Nr. A 329: Entschädigung Franziska Zawacki.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,7/Kleine Erwerbungen, Nr. 154: Abschriften der Urteile des Volksgerichtshofes gegen zwölf Bielefelder, 1944.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 21. Dezember 2022

Ein Hinweis zu “Bernhard Zawacki wurde hingerichtet, weil er aussprach, was er dachte”

  1. Jan-Willem Waterböhr sagt:

    Stellvertretend für Lutz Havemann:
    Die Ehe wurde am 30.07.1926 in Dortmund geschlossen. Dies geht aus den Meldeunterlagen der Stadt Bielefeld zu Franziska Elisabeth ZAWACKI geborene Lewandowski hervor. Außerdem wissen wir, dass Frau Zawacki Ende des Jahres 1982 im Wohnstift “Salzburg” in Bielefeld in der Memeler Straße 35 gelebt hat. WIR SIND IMMER NOCH AUF DER SUCHE NACH ANGEHÖRIGEN ODER NACHBARN VON BERNHARD BZW. FRANZISKA ZAWACKI.

    Lutz Havemann
    Arbeitskreis: “Bielefelder Arbeiter:innen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus”
    l-havemann@t-online.de

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