Der Altersunterschied zwischen den Ehepartnern war auch für die damalige Zeit ziemlich hoch, als der 48-jährige Kaufmann Fritz Herzberg aus Bielefeld am 8. September 1939 die 27-jährige Anni Callmann aus Gladbeck heiratete. Für Fritz war es die zweite Eheschließung, seine erste Ehe mit Erna Herzberg geb. Rothenburg war geschieden worden. Zwei Tage nach der Eheschließung in Gladbeck, am 10. September, zog Anni, die eine dreijährige Modistinnen-Lehre absolviert hatte und bis 1938 an ihrem Geburtsort als Modistin tätig gewesen war, zu ihrem frisch angetrauten Ehemann nach Bielefeld. Zu diesem Zeitpunkt musste Fritz bereits in einem „Judenhaus“ leben, nämlich dem in der Mühlenstraße 7.
Fritz Herzberg war am 14. Juli 1891 als zweites Kind des Kaufmanns Paul Herzberg und dessen Ehefrau Lina Herzberg geb. Rosenthal geboren worden. Seine ältere Schwester Alice war bereits als Säugling verstorben, sein jüngerer Bruder Walter Herzberg hatte – wie Fritz selber auch – als Soldat im Ersten Weltkrieg gekämpft und war im Mai 1918 in Frankreich gefallen. Im Januar 1920 war Fritz Teilhaber der von seinem Vater gegründeten und in der Kavalleriestraße 16 ansässigen Firma Paul Herzberg geworden. Die aus einer Getreideagentur und einem Kommissionsgeschäft bestehende Firma hatte bis September 1931 Bestand gehabt, wobei Fritz seit dem Tod seines Vaters im Juli 1928 alleiniger Inhaber gewesen war.
Das Leben der Eheleute Anni und Fritz Herzberg wurde von den Repressalien des NS-Regimes gegenüber der jüdischen Bevölkerung geprägt. Fritz war bereits am 2. Dezember 1938 zum ersten Mal in das Konzentrationslager Buchenwald eingewiesen worden – das gleiche geschah ihm wieder am 15. Oktober 1940. Bald darauf mussten die Herzbergs wie andere Jüdinnen und Juden in Deutschland Zwangsarbeit leisten, was mit dem harmloseren Wort „Arbeitseinsatz“ verbrämt wurde. Vom 23. Juli 1940 bis 29. November 1941 musste Anni etwa bei der Firma Friedrich Dargel in der Heeper Straße 132 – einem Bielefelder Triebriemen- und Leder-Fabrikanten – Zwangsarbeit leisten. Bereits seit Januar 1939 mussten Anni und Fritz außerdem die vorgeschriebenen jüdischen Zwangsvornamen, Sara und Israel, tragen.
Am 13. Dezember 1941 wurden beide zusammen mit den übrigen Bielefelder Jüdinnen und Juden in das Ghetto von Riga deportiert. Während Anni im Ghetto blieb, wurde Fritz zwangsweise zum Aufbau des Arbeitsumerziehungslagers nach Salaspils abkommandiert. Hier, am Stadtrand von Riga, mussten die Juden als Zwangsarbeiter Schwerstarbeit leisten. Weder von ihm noch von seiner Frau ist je wieder gehört worden, ihr Schicksal ist unbekannt. Höchstwahrscheinlich wurden beide ermordet.
Spur aufgenommen und Recherche
David Hecken (Erstversion (pdf))
Landesarchiv Nordrhein Westfalen – Abteilung OWL
Weitere Recherchen
Andreas Vohwinkel
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld