Ru­dolf Fran­ken­stein: Mit „an­ge­bo­re­nem Schwach­sinn“ dop­pelt ver­folgt vom NS-Re­gime

Meldekarte von Rudolf Frankenstein.
Meldekarte von Rudolf Frankenstein. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,003/Einwohnermeldeamt, Nr. 18: Meldekartei Bielefeld Mitte, 1920-1958.
„Judenhaus“ und letzter Wohnort von Rudolf Frankenstein, Detmolder Straße 4. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,003/Fotosammlung, Nr. 11-1916-08.
31. März 1942
Det­mol­der Stra­ße 4, 33604 Bie­le­feld

Ru­dolf Fran­ken­stein wur­de am 5. Au­gust 1890 in Bie­le­feld ge­bo­ren. Von 1900 bis 1908 war er Schü­ler des Gym­na­si­ums Bie­le­feld (heu­te Rats­gym­na­si­um), be­vor er aus nicht be­kann­ten Grün­den an eine an­de­re Schu­le wech­sel­te.

Un­frucht­bar­ma­chung

Ru­dolf Fran­ken­stein wur­de am 25. Juni 1934 zur Un­frucht­bar­keit ver­ur­teilt. Zu­vor war er von den Ärz­ten mit „An­ge­bo­re­ne Schwach­sinn“ dia­gnos­ti­ziert wor­den. Das ken­nen wir heu­te als ganz ein­fa­che an­ge­bo­re­ne In­tel­li­genz­schwä­che. Er ver­brach­te sei­ne Zeit vor dem Ein­griff in ei­ner Heil­an­stalt in War­stein. Dort wur­den mehr­fach In­tel­li­genz­tests mit ihm durch­ge­führt, wo­bei der Arzt ihn als sehr ge­ord­net und leb­haft be­schreibt, was für Men­schen mit ei­ner In­tel­li­genz­schwä­che sehr sel­ten war. Je­doch ver­zich­te­te Fran­ken­stein auf ei­nen Ein­spruch und wur­de am 8. Au­gust 1934 im Stadt­kran­ken­haus in Soest un­frucht­bar ge­macht.

Fa­mi­lie Fran­ken­stein

Ida Fran­ken­stein (Ru­dolfs Mut­ter) wur­de zu­sam­men mit Ru­dolf Fran­ken­stein am 2. April 1941 in das Ju­den­haus an der Det­mol­der Stra­ße 4 ein­ge­wie­sen. Ida Fran­ken­stein ist am 31. Juli 1942 nach The­re­si­en­stadt de­por­tiert und dort um­ge­bracht wor­den.

Ru­dolf Fran­ken­stein wur­de schon am 31. März 1942 de­por­tiert und in War­schau um­ge­bracht – die Mel­de­kar­te ver­merkt „abgemeldet: Grund unbekannt“. Er hat­te noch zwei Ge­schwis­ter, Anna und Wer­ner, die wäh­rend der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus aber nicht im Reich leb­ten.

Der An­trag der Wie­der­gut­ma­chung

Anna oder Anni, wie man sie nann­te, leb­te mit dem Fa­mi­li­en­na­men Ems in Pe­talu­ma, Ka­li­for­ni­en. Wie vie­le an­de­re An­ge­hö­ri­ge der er­mor­de­ten Ju­den, be­an­trag­te Anni am 24. De­zem­ber 1953, als Schwes­ter von Ru­dolf, eine Wie­der­gut­ma­chung für sei­nen Tod. Sie ver­lang­te eine Ent­schä­di­gung ohne Be­grün­dung, wel­che die Re­gie­rung aber ab­lehn­te. Um da­mals eine Wie­der­gut­ma­chung zu be­kom­men, gab es die Vor­aus­set­zung, dass der Ver­folg­te ent­we­der von Ehe­gat­ten, sei­nen Kin­dern, sei­nen En­keln oder sei­nen El­tern be­erbt wird. Dies war bei Anni nicht der Fall, wes­we­gen sie kei­ne Ent­schä­di­gung be­kam.

Spur aufgenommen und Recherche
Mi­chel­le Neu­dorf, Lia Wist (Erstversion (pdf))
Rudolf Rempel Berufskolleg

Weitere Recherchen
Hel­mut Hen­schel B.A.
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld

Li­te­ra­tur

  • Gedenkbuch für die ermordeten Juden des früheren Bielefelder Gymnasiums 1922-1945. URL
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4), Bielefeld 1985.

Quel­len

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 106,001/Gesundheitsamt, Nr. 2574.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,003/Amt für Wiedergutmachung, Nr. B 0046.
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,003/Amt für Wiedergutmachung, Nr. B 0054.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 6. Oktober 2022

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