Reinhard Beyth, geboren am 11. Februar 1923 in Berlin, wurde im Oktober 1934 zum ersten Mal mit elf Jahren wegen seiner Epilepsie in Bethel aufgenommen. Bei einem Anfall schwer gestürzt, hatte er einen Schädelbruch erlitten und lag zuvor lange Zeit im Krankenhaus. In Folge dieses Unfalls diagnostizierten die Ärzte in Bethel, wo es ihm gesundheitlich bald besserging, auch organische Hirnschäden.
„In geistiger Beziehung macht er befriedigende Fortschritte. Er gibt sich bei seinen Schulübungen große Mühe, liest gerne, schreibt ganz ordentlich und rechnet leidlich (kleines Einmaleins, leichte Additionen). Mit seinen Kameraden kommt Reinhard gut aus und beteiligt sich nett an Gesellschaftsspielen […].“ (Aus der Korrespondenz des leitenden Arztes mit der Mutter Irma Beyth vom 11. Januar 1935)
Auf Wunsch seiner Mutter verließ Reinhard Beyth Bethel im Dezember 1935 jedoch wieder, um danach mit ihr in Berlin zu leben. Vier Jahre später, am 20. Juni 1939 kam der damals 16-Jährige zum zweiten Mal nach Bethel. Reinhards Eltern hatten sich inzwischen getrennt. Seine Mutter war nach Shanghai ausgewandert und sein blinder Vater war selbst auf Hilfe angewiesen.
In Eckardtsheim lebte Reinhard Beyth in ruhiger, ländlicher Umgebung in einer Gruppe von Jugendlichen, die ebenfalls an Epilepsie erkrankt waren. Vor der erneuten Aufnahme bekam er täglich oft mehrere Krampfanfälle, außerdem litt er unter Schwindel und Absencen. Unter der Medikation mit kleineren Dosen des Medikaments Luminal wurden die Anfälle seltener und körperlich wie geistig konnte er sich erholen.
„Die geistigen Fähigkeiten sind jedoch wesentlich geringer als sie in den Jahren 1934/35 waren. Eine Förderung ist nicht zu erwarten“, lautete es im ärztlichen Bericht aus dem Jahr 1939. Etwa ein Jahr später, am 12. Juli 1940 attestierte der leitende Arzt: „Auf geistigem Gebiet besteht Schwachsinn […] Den Kranken zu beschäftigen, ist nur in ganz geringem Grade möglich.“
Nach nur gut einem Jahr wurde Reinhard Beyths Vater von der geplanten Verlegung seines Sohnes nach Wunstorf unterrichtet. Das verzweifelte Flehen des Vaters, seinen Sohn in Bethel zu belassen, blieb ohne Erfolg.
Der 17-jährige Reinhard Beyth war einer von insgesamt sieben jüdischen Patientinnen und Patienten, die am 21. September 1940 von Bethel aus in die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf bei Hannover verlegt wurden. Von dort aus brachte man sie in die Anstalt Brandenburg/Havel, wo sie wenige Tage nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Die systematische Ermordung von jüdischen Menschen wurde in einer „Sonderaktion“ im Rahmen der „Aktion-T4“ beschlossen.
Im Gedenken an die früheren jüdischen Patientinnen und Patienten trägt ein Haus am Lobetalweg in Eckardtsheim seit 1993 den Namen „Reinhard-Beyth-Haus“.
Ein Stolperstein für Reinhard Beyth liegt vor dem Eingang der Betheler Einrichtung Ophra 1 in Eckardtsheim.
Spur aufgenommen und Recherche
Beate Böhm
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel