Margot Reuter – jüdische Patientin in Bethel

Das Frauenpflegehaus Mahanaim in den 1930er Jahren.
Das Frauenpflegehaus Mahanaim in den 1930er Jahren. Hauptarchiv Bethel F 1661.
Das Frauenpflegehaus Magdala in den 1930er Jahren. Hauptarchiv Bethel F 1037 b.
Brief der Tochter vom 08.02.1941 an die Bethelkanzlei.
Brief der Tochter vom 08.02.1941 an die Bethelkanzlei. Hauptarchiv Bethel, Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 6.
Der Stolperstein für Margot Hermine Reuter am Karl-Siebold-Weg 9 in Bethel.
Der Stolperstein für Margot Hermine Reuter am Karl-Siebold-Weg 9 in Bethel. Hauptarchiv Bethel.
21. September 1940
Karl-Siebold-Weg 9, 33617 Bielefeld

Diagnose „Klimakterisch bedingte Psychose“

Margot Hermine Reuter wurde am 11. November 1936 im Haus Magdala, einem Pflegehaus „für weibliche Gemütsleidende“ in Bethel aufgenommen. Am 28. Juli 1938 kam sie in ein anderes Frauenpflegehaus, nach Mahanaim, wo sie fortan in der geschlossenen Abteilung lebte. Sie litt unter psychischen Erkrankungen wie klimakterischen Depressionen und Angstzuständen.

Margot Reuter, geborene Brandy, wurde am 17. August 1887 in Stettin geboren. Sie war evangelisch, hatte aber jüdische Vorfahren und galt für die Nationalsozialisten deshalb als Jüdin. 1905 heiratete sie Karl Reuter, der auch evangelisch war. Die beiden hatten zwei Töchter. Nach dem Tod des Ehemannes wurde ihre Tochter Hanni-Lotte Reuter, die selbst Krankenschwester war, ihre gesetzliche Vertreterin.

Als Margot Reuter nach Bethel kam, hatte sie einen Selbstmordversuch hinter sich und befand sich auch körperlich in einer schlechten Verfassung. Sie war bettlägerig und musste von den Schwestern gefüttert werden. Nach einiger Zeit ging es ihr aber besser und sie konnte sich mit leichten Handarbeiten beschäftigen oder auch in den Garten gehen.

Im fachärztlichen Attest vom 13. September 1940 hieß es jedoch, Margot Reuter bedürfe „weiterhin der Pflege in einer geschlossenen Anstalt.“ Sie leide an einer „Geisteskrankheit, die sich vor allem in einer großen Zerfahrenheit, Verlust der Initiative, Interessenlosigkeit und psychomotorischer Unruhe mit ängstlich weinerlicher Stimmung geltend“ mache.

„Trostbriefe“ mit falschen Angaben für die Angehörigen

Nur wenige Wochen nach ihrem 53. Geburtstag kam Margot Reuter mit den anderen jüdischen Patientinnen und Patienten aus Bethel am 21. September 1940 in die Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf bei Hannover. Margot Reuters Todesdatum ist unbekannt und wurde deshalb auf den 27. September 1940 gelegt. An diesem Tag erfolgte die „Verlegung“ von Wunstorf in die Landes-Pflegeanstalt Brandenburg/Havel, einer Einrichtung mit einer Gaskammer.

Hanni-Lotte Reuter blieb der Verbleib ihrer Mutter für lange Zeit unklar und sie setzte alle Hebel in Bewegung, um etwas in Erfahrung zu bringen. Anfang Februar 1941 schrieb sie nach Bethel: „Heute habe ich die Nachricht vom Ableben meiner Mutter bekommen. Es ist am 2.2. angegeben infolge einer Grippe, in einer Anstalt bei Lublin.

Es war das übliche Verfahren der Nationalsozialisten, den Angehörigen zusammen mit der Sterbeurkunde so genannte Trostbriefe mit falschen Angaben zu senden. Die Mitteilungen über den angeblichen Tod in der Irrenanstalt bei Lublin, wurden mit ausgedachtem Briefkopf und erfundener Todesursache in der Dienststelle der „Aktion T 4“ verfasst und in Lublin in die Post gegeben.

Spur aufgenommen und Recherche
Beate Böhm
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel

Literatur

  • Stockhecke, Kerstin, September 1940: Die „Euthanasie“ und die jüdischen Patienten in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, in: Brack, Claudia / Burkardt, Johannes / Günther, Wolfgang / Murken, Jens (Hrsg.), Kirchenarchive mit Zukunft. Festschrift für Bernd Hey zum 65. Geburtstag, Bielefeld, S. 2007, S. 131-142.

Quellen

  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (HAB) Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 6.
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