Kurt Simon – jüdischer Patient in Bethel

Zum Gedenken an Kurt Simon wurde am 2. Mai 2013 ein Stolperstein vor seiner letzten Wohnstätte - dem Haus Neu-Ebenezer – in das Pflaster des Gehweges eingelassen.
Zum Gedenken an Kurt Simon wurde am 2. Mai 2013 ein Stolperstein vor seiner letzten Wohnstätte - dem Haus Neu-Ebenezer – in das Pflaster des Gehweges eingelassen. Hauptarchiv Bethel
Beurteilung des Arztes für Kurt Simon vom 12.09.1940, in der Patientenakte.
Beurteilung des Arztes für Kurt Simon vom 12.09.1940, in der Patientenakte. Hauptarchiv Bethel, Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 12.
Schlafsaal im Haus Neu-Ebenezer, 1930-er Jahre.
Schlafsaal im Haus Neu-Ebenezer, 1930-er Jahre. Hauptarchiv Bethel F 165
21. September 1940
Ebenezerweg 5, 33617 Bielefeld

Kurt Simon wurde am 1. Juli 1917 in Köln geboren. Von Geburt an litt er an einer geistigen Behinderung und in deren Folge an einer Bewegungsstörung der Extremitäten. Im Alter von vier Jahren wurde er am 27. Oktober 1921 in Bethel aufgenommen. Kurt Simon verbrachte nahezu sein ganzes Leben in Bethel, davon viele Jahre im Haus Patmos, einem Pflegehaus für schwerstmehrfach behinderte Kinder. Mitte der 1930-er Jahre siedelte er als junger Erwachsener in das Haus Neu-Ebenezer über.

Intensive Förderung im Haus Patmos

Geistig ist Kurtchen ja recht rege; er beobachtet alles und ist auch in gewisser Weise für Erziehungsmaßnahmen zugänglich. Wir alle haben Freude an dem kleinen munteren Jungen…“, heißt es in einem Schreiben Bethels vom 7. April 1922 an seine Mutter Jenny Simon.

Trotz seiner schweren Behinderung konnte Kurt Simon im Pflegehaus Patmos gefördert werden. Leichtere Fortschritte stellten sich schnell ein. Beispielsweise gelang es dem Kind schon nach kurzer Zeit, sich den Schwestern gegenüber verständlich zu machen. Ein Jahr später war Kurt sogar in der Lage, Buchstaben zu lesen und einfache Rechenaufgaben zu lösen.

Letzter Kontakt der Mutter mit Bethel

Im Jahr 1938 – inzwischen lebte er im Haus Ebenezer – äußerte Kurt Simon den Wunsch, zur christlichen Kirche überzutreten. Durch die täglichen Andachten sei ihr Sohn mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen, berichtete Bethel in einem Brief an Frau Simon. Sie stimmte der Bitte ihres Sohnes, am Konfirmandenunterricht teilnehmen zu können, im Mai 1938 zu. Dies war auch das letzte Mal, dass Frau Simon mit Bethel korrespondieren konnte. Um sich als Jüdin vor den Nazis in Sicherheit zu bringen, wanderte sie aus, ihr Sohn Kurt Simon bekam einen Vormund.

„Dauernde Anstaltspflege“

Diese Prognose erhielt Kurt Simon im ärztlichen Bericht vom 13. September 1940 wegen „seiner körperlichen und geistigen Gebrechlichkeit … In körperlicher Hinsicht erfordert er, da er ziemlich schwach ist, sehr viel Pflege. Z. Zt. kann er noch mit einfachsten mechanischen Arbeiten (Silberpapier auslesen) beschäftigt werden“, beurteilte der leitende Arzt seinen gesundheitlichen Zustand.

Auf Anordnung des Reichsministeriums vom 30. August 1940 Anfang September 1940 erhielt die Anstaltsleitung einen Erlass des Reichsministers des Innern. Die jüdischen Menschen sollten in der Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf bei Hannover untergebracht werden.Anfang September 1940 erhielt die Anstaltsleitung einen Erlass des Reichsministers des Innern. Die jüdischen Menschen sollten in der Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf bei Hannover untergebracht werden.sollten alle jüdischen Patientinnen und Patienten aus Bethel der Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf überstellt werden. Am 21. September 1940 brachte man Kurt Simon zunächst mit dem Auto nach Gütersloh zum Bahnhof. Von dort aus erfolgte der Transport nach Brandenburg gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten aus der Provinzialheilanstalt Gütersloh. Auch Kurt Simons Todesdatum ist unbekannt und wird deshalb auf den Tag der „Verlegung“ von Wunstorf in die Landes-Pflegeanstalt Brandenburg/Havel, eine Tötungsanstalt, gelegt.

Spur aufgenommen und Recherche
Beate Böhm
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel

Literatur

  • Stockhecke, Kerstin, September 1940: Die „Euthanasie“ und die jüdischen Patienten in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, in: Brack, Claudia / Burkardt, Johannes / Günther, Wolfgang / Murken, Jens (Hrsg.), Kirchenarchive mit Zukunft. Festschrift für Bernd Hey zum 65. Geburtstag, Bielefeld 2007, S. 131-142.

Quellen

  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (HAB) Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 12.
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