Hugo Ebert wird in eine Straf­kom­pa­nie ein­ge­zo­gen

Portraitfoto von Hugo Ebert.
Portraitfoto von Hugo Ebert. Vermisstenbildliste des DRK-Suchdienstes, München 1957, Band FY, S. 485, 3-2.
Auszug aus dem Personenstandsarchiv zu Hugo Ebert im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahren, 30. Mai 1949.
Auszug aus dem Personenstandsarchiv zu Hugo Ebert im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahren, 30. Mai 1949. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,3/Wiedergutmachung Stadt, Nr. A 51.
Eintrag von Hugo und Johanne Ebert im Hausbuch Bleichstraße 43.
Eintrag von Hugo und Johanne Ebert im Hausbuch Bleichstraße 43. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 1243
29. Ja­nu­ar 1943
Biel­stein­stra­ße 43, 33604 Bie­le­feld

Ver­fol­gungs­schick­sal und Tod

Der 40 Jah­re alte Bie­le­fel­der Me­tall­ar­bei­ter Hugo Ebert wur­de zum 29. Ja­nu­ar 1943 durch das Wehr­be­zirks­kom­man­do Bie­le­feld zum ak­ti­ven Wehr­dienst ein­be­ru­fen und in eine Straf­kom­pa­nie ge­schickt (of­fi­zi­ell in eine so­ge­nann­te „Be­wäh­rungs­kom­pa­nie 999“). In das Vi­sier der Ver­fol­gungs­be­hör­den war er al­ler­dings schon Jah­re zu­vor ge­ra­ten, als er we­gen Ver­brei­tung il­le­ga­ler Schrif­ten ver­haf­tet und 1936 zu mehr als vier Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt wor­den war (sie­he auch Wilhelm Ebert). Nach voll­stän­di­ger Ver­bü­ßung die­ser Stra­fe blieb er un­ter Be­ob­ach­tung durch die Ge­sta­po. Sei­ne bür­ger­li­chen Eh­ren­rech­te er­hielt er nicht voll­stän­dig zu­rück, wur­de ihm doch die Teil­nah­me an der „Va­ter­lands­ver­tei­di­gung“, also am Kriegs­dienst, we­gen „Wehr­un­wür­dig­keit“ ver­wei­gert, sei­ner­zeit eine Schan­de. Erst durch ei­nen „be­son­de­ren Füh­rer­be­fehl“ von Ok­to­ber 1942 und die Ein­rich­tung von so­ge­nann­ten „Be­wäh­rungs­ein­hei­ten“ konn­te die Wehr­macht nun auch auf Män­ner wie Ebert zu­rück­grei­fen.

Die­se Straf­ba­tal­lio­ne wa­ren zu­sam­men­ge­setzt aus Re­gime­geg­nern, in­haf­tier­ten Kri­mi­nel­len und we­ni­gen re­gu­lä­ren Trup­pen, die als Auf­pas­ser fun­gier­ten. Aus­bil­dung und Aus­rüs­tung wa­ren man­gel­haft und die Ein­sät­ze be­son­ders ris­kant. We­gen po­li­ti­scher Un­zu­ver­läs­sig­keit wur­den man­che die­ser Be­wäh­rungs­ein­hei­ten ent­waff­net, trotz­dem muss­ten die Män­ner wei­ter am Krieg teil­neh­men, zum Bei­spiel in Bau­trupps.

Hugo Ebert war 1943 und 1944 in Nord­afri­ka und Grie­chen­land im Ein­satz. Ge­gen Kriegs­en­de wur­de sei­ne Ein­heit nach Ost­preu­ßen ge­schickt. Dort ver­liert sich sei­ne Spur im Fe­bru­ar 1945.

Bio­gra­fi­sche No­ti­zen

Hugo Ebert wur­de am 30. No­vem­ber 1902 als fünf­tes Kind ei­ner Berg­ar­bei­ter­fa­mi­lie in Duis­burg ge­bo­ren. Nach der Volks­schu­le lern­te er den Be­ruf des Schlos­sers und war ab 1931 in Bie­le­feld tä­tig, zu­letzt als „Fa­brik­schlos­ser“ bei der Fir­ma Wil­helm Krä­mer. Von 1935 bis 1939 war er in­haf­tiert im Zucht­haus Ha­meln. Am 20. Fe­bru­ar 1942 hei­ra­te­te er Jo­han­ne Ebert, ge­bo­ren Bohn am 19. Sep­tem­ber 1907 in Bie­le­feld. Die sehr kur­ze Ehe blieb kin­der­los. Die letz­te ge­mein­sa­me Woh­nung war in Bie­le­feld in der Biel­stein­stra­ße 43.

Hugo Ebert war ge­werk­schaft­lich or­ga­ni­siert, ge­hör­te aber kei­ner Par­tei an und blieb Mit­glied der evan­ge­li­schen Kir­che. Über be­son­de­re Wi­der­stands- oder po­li­ti­sche Ak­ti­vi­tä­ten ist wei­ter nichts be­kannt. Mit dem ge­le­gent­li­chen Aus­tra­gen kom­mu­nis­ti­scher Schrif­ten half er sei­nem Bru­der Wil­helm Ebert, „aus Ge­fäl­lig­keit“, wie er im Ver­hör an­gab. Dies wur­de ihm zum Ver­häng­nis.

Nach­le­ben

Be­reits im Juni 1946 wur­de Hugo Ebert auf Be­trei­ben der Fa­mi­lie als po­li­tisch Ver­folg­ter an­er­kannt. Erst 1954, also neun Jah­re nach Kriegs­en­de, er­klär­te ihn das Amts­ge­richt Bie­le­feld für tot. Als To­des­tag wur­de der 31. De­zem­ber 1945 be­stimmt.

In den spä­ten 1950er Jah­ren wur­de ein Wie­der­gut­ma­chungs­ver­fah­ren durch­ge­führt. Die Wit­we und an­de­re Er­ben er­hiel­ten be­schei­de­ne fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen für die er­lit­te­nen Lei­den und ma­te­ri­el­len Schä­den. So­wohl die In­haf­tie­rung als auch die Zei­ten in den „Be­wäh­rungs­ein­hei­ten“ wur­den be­rück­sich­tigt.

Ein sehr aus­führ­li­ches Gut­ach­ten des Such­diens­tes der Deut­schen Ro­ten Kreu­zes kommt 1974 zu dem Er­geb­nis, dass Hugo Ebert wahr­schein­lich etwa Mit­te März 1945 bei schwe­ren Kämp­fen in Ost­preu­ßen ums Le­ben ge­kom­men ist. Eine spä­te­re Über­prü­fung (nach Er­öff­nung zu­vor un­zu­gäng­li­cher Quel­len) er­gab kei­ne neu­en Ge­sichts­punk­te. Der „Such­fall Hugo Ebert“ gilt wei­ter­hin als „of­fen“.

Seit dem 15. Juni 2023 liegt für Hugo Ebert ein Stol­per­stein vor dem Haus sei­nes letz­ten frei­wil­li­gen Wohn­sit­zes der Biel­stein­stra­ße 41 (Rede von Gerlinde Bartels).

Spur aufgenommen und Recherche
Ger­lin­de Bar­tels
Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.

Li­te­ra­tur

  • Diewald-Kerkmann, Giesela. / Kunz, Kerstin / Knobelsdorf, A Andreas, Vor braunen Richtern. Die Verfolgung von Widerstandshandlungen, Resistenz und sogenannter Heimtücke durch die Justiz in Bielefeld 1933-1945, Bielefeld 1992
  • Lawan, Christian, Die Bielefelder KPD im Widerstand gegen den Faschismus, in: Harder-Gersdorf, Klönne, Stiller: Beiträge zur Geschichte der Bielefelder Arbeiterbewegung, Bielefeld 1981, S. 199-230
  • Klausch, Hans-Peter., Die Geschichte der Bewährungsbatallione 999 unter besonderer Berücksichtigung des antifaschistischen Widerstands, Band 1 und 2, Köln 1987
  • Käppner, Joachim, Soldaten im Widerstand. Die Strafdivision 999 1942 bis 1945, München 2022

Quel­len

  • Bundesarchiv Berlin, Bestand B 563-1 KARTEI/E-26/063: Karteikarten der ehemaligen Deutschen Dienststelle WASt
  • Bundesarchiv Berlin, Bestand PERS 11-1/Ebert,Hugo, 30.11.1902-Ka.nr.36: Wehrmachtspersonalunterlagen
  • Deutsches Rotes Kreuz, Suchdienst München, Gutachten über das Schicksal des Verschollenen Hugo Ebert, geb. 30.11.1902, München 1974
  • Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung Hannover, Bestand NLA HA, Hann. 86 Hameln, Acc. 143/90 Nr. 2644: Gefangenenpersonalakte Haftanstalt Hameln
  • LAV NRW – Abt. Ostwestfalen-Lippe, Detmold, Bestand D1 BEG Nr. 9704: Entschädigungsakte Bezirksregierung Detmold,
  • LAV NRW – Abt. Ostwestfalen-Lippe, Detmold, Bestand D 20, B Nr. 643: Verfahren vor der Entschädigungskammer des LG Detmold
  • LAV NRW – Abt. Ostwestfalen-Lippe, Detmold, Bestand D1 BEG Nr. 9699
  • LAV NRW – Abt. Westfalen, Münster, Bestand 5 OJs 315-35
  • LAV NRW – Abt. Westfalen, Münster, Bestand K 700, Nr. 2143, Transportbuch Polizeipräsidien: Verlegung von Gerichtsgefängnis Bielefeld nach Justizvollzugsanstalt Münster
  • LAV NRW – Abt. Westfalen, Münster, Bestand Q 920, Nr. 1331, Justizvollzugsanstalt Hamm: Gefangenentransport 1941
  • LAV NRW – Abt. Westfalen, Münster, Bestand Q 211a, Nr. 5513: Wiedergutmachungsangelegenheiten 1946 – 1958
  • LAV NRW – Abt. Westfalen, Münster, Bestand Q211a, Nr. 13222: Ermittlungen und Verfahren 1933-1935, 1946-1958
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,3/Wiedergutmachung Stadt, Nr. A 50, A 51, C 31.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 19. Juni 2023

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