Die Fluchtwege der Familie Cosmann

Eintrag der Familie Cosmann im Hausbuch Karl-Eilers-Straße 11.
Eintrag der Familie Cosmann im Hausbuch Karl-Eilers-Straße 11. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 1412: Hausbücher Karl-Eilers-Straße
17. Oktober 1937
Karl-Eilers-Straße 11, 33602 Bielefeld

Kindheit der Brüder Cosmann in Bielefeld

Familie Cosmann ist 1925 als junge Familie aus Elberfeld nach Bielefeld in die Lützowstraße 11 (Heute Karl-Eilers-Straße 11) umgezogen. Die Familie bestand aus dem am 22. Mai 1920 geborenen Ernst, seinem mittleren Bruder Werner, der am 22. November 1922 und dem jüngsten Bruder Heinz, der am 22. September 1924 geboren ist. Die Eltern sind Fritz Cosmann, der 31. August 1881 in Recklinghausen und Thekla, die 3. Juli 1890 geboren ist. Fritz Cosmann hatte in Bielefeld seine Zulassung als Rechtsanwalt und Notar am Amtsgericht in Bielefeld bekommen.

Aus dem Brief, der in dem Buch „Heimweh nach Bielefeld?“ zitiert wird, sagt der mittlere Sohn Werner (alias David), dass seine Kindheit „hauptsächlich mit guten Erinnerungen und nur mit wenig schlechten“ verbunden war.

Wege während der Nazi-Zeit

1933 verlor Fritz seine Zulassung, als einer der ersten Rechtsanwälte in Bielefeld. Dies hat ihn, nach Angaben seiner Frau Thekla, sehr hart getroffen. Am 17. Oktober 1937 starbt Fritz Cosmann im Alter von 56 Jahren an seinem Herzleiden, kurz nachdem er sich einer Operation wegen seines Blinddarmdurchbruches unterzogen hatte.

Der älteste Sohn, Ernst, hatte die Schule schon ein Jahr zuvor abgebrochen, damit er einen praktischen Beruf erlernen konnte. Allerdings hat er bis auf ein Landwirtschaftliches Praktikum keine Lehre begonnen, sondern in einem Hachschara (einem jüdischen Jugend Camp, das die Jugendlichen auf das Leben in Palästina vorbereiten sollte) in den Niederlanden gearbeitet. Er kam aber immer wieder für einige Monate zurück nach Bielefeld, um zu sehen, wie es seinen Brüdern und seiner Mutter ging.

Werner verließ 1938 die Helmholtz-Oberrealschule, um ebenfalls in ein Hachschara in der Nähe von Berlin zu gehen. Dort sammelten sich so viele jüdische Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren, die alle nach Palästina auswandern wollten, dass ein Arzt aufgrund ihrer Gesundheit entscheiden musste, wer nach Palästina einreisen durfte. Seine Brüder waren 1938 nicht im richtigen Alter, da Heinz ein Jahr zu jung und Ernst ein Jahr zu alt war. Im Sommer 1938 reiste Werner dann per Schiff mit vielen anderen Jugendlichen nach Palästina ein.

Heinz Cosmann wanderte zunächst in die Niederlande, in das Hachschara zu seinem ältesten Bruder aus. Als sein Leben jedoch auch in den Niederlanden gefährdet war, wurde er ab 1942 in Rotterdam versteckt, bis der Krieg endete.

Thekla emigrierte auch zunächst in die Niederlande, reiste dann jedoch weiter nach London und arbeitete dort während des Krieges als Hausangestellte.

Ernst blieb allerdings die ganze Zeit in dem Hachschara in den Niederlanden, obwohl er wahrscheinlich die Möglichkeit gehabt hätte, mit seiner Mutter nach Großbritannien zu fliehen. Vermutlich wollte er seine Schützlinge nicht verlassen und wurde daher, mit einigen Kindern zusammen, 1943 nach Auschwitz deportiert. Dort starb er wegen Dysenterie und totaler Erschöpfung.

Nach dem Krieg

Heinz Cosmann folgte seinem Bruder Werner 1945 nach Palästina, wo die beiden sich andere Namen gaben und ab dem Moment Abraham (Heinz) und David (Werner) Keren hießen. Thekla wanderte 1947 ebenfalls nach Palästina aus, wobei sie mehrfach für mehrere Monate nach Bielefeld zurückkehrte, da unter anderem ihr Bruder Paul Isacson noch in Bielefeld wohnte.

Thekla Cosmann starb 1977 im Kibbuz Dowrath in der Nähe von Afulah in Israel, bei ihren Söhnen und Enkeln. Elf Jahre später starb auch der jüngere Bruder, Abraham im Kibbuz in Israel. David Keren besuchte im Jahr 2004 noch einmal Bielefeld mit seiner Familie und starb im Jahr 2010 ebenfalls im Kibbuz Dowrath in Israel.

Spur aufgenommen und Recherche
Anika Tölke
Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland

Literatur

  • Decker, Brigitte (Hrsg.) Heimweh nach Bielefeld? Vertrieben oder deportiert: Kinder aus jüdischen Familien erinnern sich (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 22) Bielefeld 2007.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4) Bielefeld 1985.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 109,3/Wiedergutmachung Stadt, Nr. B 0034
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,10/Zeitgeschichtliche Sammlung, Nr. 6425,2
Veröffentlicht am

Kommentieren Sie den Beitrag

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert **

Themen
  • Arbeitslager
  • Ereignis
  • Jugend
  • Nazi-Organisation
  • Person
  • Verfolgung
  • Widerstand
  • Alle Kategorien aktivieren
Navigiere zu