Typischerweise erfolgten die Einweihungsfeiern von NS-Bauten immer zu besonderen Tagen. Der 9. November war durch den Hitler-Ludendorff-Putsch im Jahr 1923 besonders für Einweihungsfeiern im nationalsozialistischen Sinn geeignet. An diesem Tag im Jahr 1941 wurde das Milser HJ-Heim seiner Bestimmung übergeben. Die „Westfälische Neueste Nachrichten“ betitelte ihre Berichterstattung mit „Heim der Kameradschaft“. Das HJ-Heim in Milse war nach Brackwede und Jöllenbeck das dritte neu gebaute Heim im Landkreis Bielefeld.
Bereits im März 1934 dachte der Milser Gemeinderat über Räumlichkeiten für die Hitlerjugend nach. Da aber keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung standen, wurde die Absicht zurückgestellt. 1935 wurde der Entschluss gefasst, einen Teil der Turnhalle umzubauen, was auch tatsächlich passierte. 1936 wurde in der Gemeinderatssitzung protokolliert, dass für die Innenausstattung des HJ-Heims 285 Reichsmark aufgewendet werden.
Obwohl in der Sitzung vom 24. Mai 1938 der Gemeinderat den Bau eines HJ-Heimes einstweilen aufzugeben gedachte, erwarb die Gemeinde 1939 eine knapp 2700 qm große Fläche Ackerland vom Landwirt August Lütkehölter zum Neubau eines Heimes. Die Bauzeichnung entwarf der Architekt Gustav Müller im August 1938 und die Bauarbeiten wurden von dem Bauunternehmen Werning ausgeführt. 1938, so geht es aus den Akten hervor, standen für die Errichtung 15.000 RM in einem Fonds zur Verfügung.
Wie viele Mitglieder die Hitlerjugend in Milse hatte, ist leider nicht überliefert, aber die Einwohnerzahl der Gemeinde Milse lag 1939 bei 1.866 Personen. Zum Vergleich hatte der Bezirk Jöllenbeck im gleichen Zeitraum 8.832 Einwohner. Umso erstaunlicher ist eigentlich, dass Milse ein eigenes HJ-Heim bauen konnte.
Das Gebäude, das heute als Milser Volkshaus bekannt ist, umfasst drei Stockwerke. Das besondere war die integrierte Hausmeisterwohnung, für die, laut Gemeinderatsbeschluss vom 7. November 1939, ein Waschkessel angeschafft werden sollte. Wie das ideale HJ-Heim auszusehen hatte, geht aus einer erhalten Sonderausgabe von „Unsere Fahne“, der Zeitschrift der westfälischen HJ hervor: „Demnach dürfen die Räume nicht wie gemütliche Stuben aussehen, sondern müssen arteigener Ausdruck des Wollens, der nationalsozialistischen Weltanschauung sein.“ Besonders erwähnt wurden in dem Artikel Wasch- und Brausegelegenheiten, die sich in Milse im Keller befanden.
Im Gegensatz zu der Einweihungsfeier des HJ-Heims in Brackwede, die zu einem wesentlichen früheren Zeitpunkt stattfand, berichtete hier die „Westfälischen Neuesten Nachrichtigen“ weniger ausführlich. Selbstverständlich vollzogen auch hier lokal-hochrangige Parteigenossen der NSDAP, wie der Kreisleiter Karl Heidemann und Landrat Dr. Heinrich Rütten sowie der Oberbannführer Herbert Brinkmann die Weihe des Heimes. Die Ansprache hielt Amtsbürgermeister Wilhelm Waidner. Im Anschluss wurde Herbert Brinkmann der Schlüssel übergeben. Pläne zur weiteren Errichtung von Heimen fanden zwar Erwähnung, aber Milse sollte die letzte Einweihung eines Neubaus im Bielefelder Raum bleiben.
Nach Kriegsende wurde das Gebäude durch die Besatzer beschlagnahmt und bis 1950 durch die englischen Soldaten für sich beansprucht. Das Gebäude diente nun als Schulhaus, in einem großen Raum im Erdgeschoss wurde eine kleine Näherei untergebracht und im Dachgeschoss befand sich eine Wohnung. In den 1960er Jahren wurde über eine Erweiterung diskutiert, die allerdings nicht gebaut wurde. Zurzeit dient es mehreren Bielefelder Vereinen als Treffpunkt. Dem Gebäude, nun im Besitz der Stadt Bielefeld, sieht man die Nutzungsdauer von mehr als 80 Jahren an. Eine Modernisierung wäre wünschenswert.
Spur aufgenommen und Recherche
Diana Molt B.A.
Dank erhält Rüdiger Schmidt (Heimatverein Milse), der den Zugang ermöglicht und mit seinem Fachwissen zur Erarbeitung der Spur beigetragen hat.