Am 9. Oktober 1937 traf sich in Brackwede alles, was Rang und Namen hatte. Anlass der Zusammenkunft war die Einweihung eines neuen Heims der Hitlerjugend an der Uhlandstraße (heute Kimbernstraße 13) – Horst Wessel (1907-1930, geboren in Bielefeld und als SA-Kämpfer zu einem NS-Märtyrer hochstilisiert) wäre an diesem Tag 30 Jahre alt geworden. Brackwede war die erste Gemeinde im HJ-Bann 158, die ein eigenes Heim baute. Dr. Alfred Meyer (Gauleiter Westfalen-Nord) überreichte dem Standortältesten, Unterbannführer W. Gronemeyer den Schlüssel.
Das Thema Heimbeschaffung war für die Hitlerjugend allgegenwärtig. Es sind zahlreiche Fälle belegt, in denen den Gruppen kein eigenes Haus zur Verfügung stand, sondern stillgelegte Fabrikteile, Schuppen etc. als Heimersatz dienten. Die schwierige Situation sollte ab 1937 durch ein halbstaatliches Heimbauprogramm bereinigt werden. Die Dienststellen der HJ gingen früh dazu über, von den Kommunen und Jugendämtern Unterstützung bei der Beschaffung von Räumlichkeiten mit sehr viel Nachdruck einzufordern. Allerdings stand das Reichsministerium des Innern per Verfügung vom 3. März 1934 auf dem Standpunkt, dass die „Gewährung von geldlicher Unterstützung von Gliederungen der Partei [dazu gehörte die HJ] nicht zu den Aufgaben der Gemeinden gehörte und daher zu unterbleiben habe.“
Bevor mit dem Neubau begonnen wurde, trafen sich die Brackweder Gruppen (Gefolgschaft 9) im Hinterhaus des Kaufhauses Beimdieke. Aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 9. Juli 1936 geht hervor, dass die Gemeinde für die Errichtung eines HJ-Heimes einen Betrag von 20.000 Reichsmark, sowie einen Bauplatz an der Uhlandstraße zur Verfügung gestellt hat. Die Gruppenstärke der HJ (einschl. BDM) umfasste bereits zu diesem Zeitpunkt 1.090 Kinder und Jugendliche. Der Brackweder Architekt Theo Fritz war mit der Errichtung beauftragt worden. Man begründete die Wahl des Grundstücks mit der Nähe zur Mittelschule, die ein gutes Aufmarschgelände bot und dazu weitere Synergieeffekte versprach. Die HJ musste laut Kostenübersicht weitere ca. 17.000 RM beschaffen.
Nachdem Ungereimtheiten in der Auftragsvergabe an den Architekten Fritz ausgeräumt worden waren, eröffnete die Grundsteinlegung am 14. Juni 1936 die Bauphase. Über das Ereignis berichtete die örtliche Presse ausführlich. Die Aufteilung der Räume war wie folgt: Im Erdgeschoss befanden sich die Eingangshalle, Kameradschaftsräume und der Appellflur. Das Obergeschoss war für den BDM reserviert. Im ausgebauten Dachgeschoss befand sich der Gefolgschaftsraum für alle Formationen, der zu Schulungszwecken vorgesehen war.
Am 26. Januar 1937 wurde der Rohbauabnahmeschein ausgestellt.
Mit dem Gauleiter Alfred Meyer trafen weitere NS-Funktionäre am 9. Oktober 1937 in Brackwede ein, wie der Oberbannführer der HJ Boy Ovens (er war später NSDAP-Kreisleiter von Hannover), die Stabsleiterin Käthe Schoneweg und die Obergauführerin Juliane Zokolowski. Auch dieses Ereignis wurde in der Presse gewürdigt. Das Haus bekam den Namen „Horst-Wessel Haus“ und diente nun den Gruppen bei ihren Zusammenkünften. Dabei ging es insbesondere bei den jungen Männern nicht gerade zimperlich zu. Vom 13. November 1939 ist ein Vermerk über die Ermahnung der HJ-Führung erhalten, dass die Missstände, z. B. ausgeschlagene Türfüllungen aufhören sollen, sonst werde die Nutzung untersagt. Tatsächlich gab es am 29. Februar 1940 ein offizielles Schreiben von Bürgermeister Meyer, dass er das Heim für die Benutzung der HJ sperre, nachdem die Ermahnungen nichts gebracht hätten. Laut weiteren Zeitungsberichten diente das Heim aber auch zu späteren Zeitpunkten den Gruppentreffen.
Das Gebäude, bekannt als Kimbernhaus, gehört heute zum historischen Erbe von Brackwede und diente nach 1945 zwischenzeitlich als Rathausersatz.
Spur aufgenommen und Recherche
Diana Molt B.A.