Die stille Heldin Johanne Peppmöller (1885-1976)

Meldekarte von Johanne Peppmöller.
Meldekarte von Johanne Peppmöller. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958.
2. März 1943
Johanne-Peppmöller-Straße, 33619 Bielefeld

Eine neue Straße

Früher standen dort Gewächshäuser. Jetzt ist an dieser Stelle an der Babenhauser Straße ein Neubaugebiet entstanden, das durch eine Stichstraße erschlossen wird. Eine Initiative von historisch interessierten Bielefeldern hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Straße nach Johanne Peppmöller benannt worden ist. Denn Johanne Peppmöller ist ganz in der Nähe am 3. November 1885 auf der Hofstelle 72 geboren worden. Später ist die Familie dann in ein eigenes Haus nach Theesen gezogen, dort ist Johanne auch zur Volksschule gegangen. Anschließend machte sie eine Ausbildung zur Wochenbett- und Säuglingspflegerin.

Wie eine eigene Tochter

Als Lotte Windmüller am 9. Juli 1922 geboren worden ist, blieb Johanne länger im Haushalt der jüdischen Familie Windmüller als die sonst üblichen sechs bis acht Wochen, da die Mutter kränklich und auf längerfristige Hilfe angewiesen war. 1931 verstarb die Mutter Erna, 1937 der Vater Paul. Der acht Jahre ältere Sohn Hans war da schon nach England emigriert. Die 15jährige Lotte wurde von Johanne wie eine eigene Tochter aufgenommen. Um für sich und Lotte sorgen zu können, eröffnete Johanne im Januar 1938 in einer Wohnung in der Bahnhofstr. 46 eine Pension, in der hauptsächlich jüdische Reisende unterkamen. Im November 1938 wurde Lotte nur wenige Tage nach der Reichspogromnacht als Jüdin vom Besuch der Auguste-Viktoria-Schule ausgeschlossen. Nachdem sie keine Lehrstelle finden konnte, arbeitete sie als Haushaltshilfe in der von Johanne betriebenen Pension. Der Einsatz von Johanne für ihre jüdische Pflegetochter und ihre jüdischen Pensionsgäste stieß in ihrer Familie nicht nur auf Zustimmung. Sie musste außerdem Vorladungen und Hauskontrollen des Leiters des Bielefelder Judenreferats der Gestapo, Wilhelm Pützer, über sich ergehen lassen.

Zunehmende Bedrohung

Die Lebensumstände für Jüdinnen und Juden wurden auch in Bielefeld immer bedrängender. Lotte wurde in das Arbeitslager Schloßhof eingewiesen, wo sie sich zunächst nur tagsüber aufhielt und zur Zwangsarbeit in einer Fahrradsattelfabrik eingesetzt war; im August 1942 musste sie ganz in den Schloßhof umziehen. Im Schloßhof lernte sie Paul Hoffmann kennen, die beiden verliebten sich ineinander und planten ein gemeinsames Leben. Am 2. März 1943 wurden beide nach Auschwitz deportiert. Johanne Peppmöller hat beide bis zum Güterbahnhof begleitet, wie sie später berichtet. Von Paul Hoffmann erhält sie durch einen Brief ein Lebenszeichen aus Auschwitz. Und sie schickt Briefe und Päckchen. Auch durch ihre Hilfe überlebt Paul Hoffmann und gründet nach dem Krieg eine Familie. Lotte Windmüller aber ist vermutlich noch 1943 umgekommen.

Nach 1945

Im Sommer 1945 eröffnet Johanne einen neuen Pensionsbetrieb im Haus Koblenzer Straße 4 (heute Artur-Ladebeck-Str.6), einem ehemaligen „Judenhaus“. 1953 musste sie den Betrieb aufgeben. Das Amt für Wiedergutmachung erkennt ihre freundliche Einstellung gegenüber jüdischen Mitbürgern während der NS-Zeit an, verweigert aber eine Entschädigungszahlung.

Die letzten Lebensjahre verbringt Johanne Peppmöller im Lutherstift. Sie stirbt am 27. Juni 1976 und wird auf dem Sennefriedhof beigesetzt.

Paul Hoffmann würdigt sie als diejenige, die einen wesentlichen Anteil an seinem Überleben hat – eine Gerechte unter den Völkern. Sein Sohn Daniel zeichnet in einem Buch die Lebensspuren von Johanne, Lotte und Paul nach und hält sie so in lebendiger Erinnerung.

Und nicht nur eine Straße, sondern auch eine Straßenbahn in Bielefeld ist heute nach Johanne Peppmöller benannt.

Spur aufgenommen und Recherche
Martin Féaux de Lacroix
Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Bielefeld e.V.

Literatur

  • Hoffmann, Daniel, Lebensspuren meines Vaters. Eine Rekonstruktion aus dem Holocaust, Göttingen 2007.
  • Minninger, Monika / Meynert, Joachim / Schäffer, Friedhelm (Hrsg.), Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 4) Bielefeld 1985.
  • Sunderbrink, Bärbel (Hrsg.), Der Schloßhof. Gutshof, Gasthaus, Jüdisches Lager, Bielefeld 2012.
  • Wittler, Christina / Hollen, Kai-Uwe von, “Alles will ich ertragen u. werde durchhalten bis zum Letzten”. Die stille Heldin Johanne Peppmöller (1885-1976), in: Sunderbrink, Bärbel (Hrsg.), Frauen in der Bielefelder Geschichte, Bielefeld 2010.

Quellen

  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 18.: Meldekartei Bielefeld-Mitte, 1920-1958.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 30. November 2023

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