Am 2. November 1938 wurde der traditionsreiche Berufsbekleidungshersteller „M. Mosberg“ aus der Gewerbekartei gelöscht. Im Rahmen einer regelrechten „Arisierungs“-Welle gingen Unternehmen aus jüdischem Eigentum 1938 an „Arier“ über. Bis August waren in Bielefeld bis zu 70 Firmen verkauft worden, danach beschleunigte sich der Ausschaltungsprozess massiv. Anfang 1939 waren die übrigen 58 Firmen fast ausnahmslos „arisiert“ worden.
Gemeinsam mit „Capelle“ (Berlin) und „Ulrich“ (Hamburg-Altona) war „M. Mosberg“ Marktführer in der Berufsbekleidungsherstellung und im -vertrieb. 1850 war das Unternehmen von dem aus Lippe zugewanderten Moses Mosberg (1790-1874) als Stoffhandlung gegründet worden. Die Söhne Julius und Max Mosberg waren seit 1904 persönlich haftende Gesellschafter und errichteten 1907 an der Jöllenbecker Str. 5 ein sechsgeschossiges Fabrikgebäude. Teile des mehr als 200 Mitarbeitende zählenden Personals wurden weiter in Heimarbeit beschäftigt. Zur Produktpalette der Firma, die für Wandergesellen (Stichwort „Walz“) – vor allem Maurer, Zimmerer und Dachdecker – alles offerierte, gehörten Arbeitsbekleidung, Zylinder, Schlapphüte, die typischen Ohrringe, Uhrketten, Tabakpfeifen, Stammseidel und Werkzeug. „Sonntags-Anzüge“, Wanderbedarf und Sportartikel rundeten das Sortiment ab.
Handwerksgesellen trugen ihre Habseligkeiten im Werbetuch der Firma eingeschlagen – „Maxe Mosberger“ oder schlicht „Bielefelder“ (auch „Charlottenburger“) genannt. Sie verbreiteten damit den Ruf der „Marke Em-Em“ auch in der Stadt und im gesamten Land. Diese „Charlies“ waren marketingtechnisch clever mit Firmennamen, -adresse, -logo und -produkten bedruckt, so dass Gesellen auf der „Walz“ weltweit kostenfrei Werbung machten.
„M. Mosberg“ florierte, der Jahresgewinn lag 1927 bis 1929 jeweils über 100.000 RM. Den weiteren Aufstieg unterbrach die Weltwirtschaftskrise mit einhergehendem Einbruch des Baugewerbes. Erst ab 1934 stiegen die Umsätze wieder, so dass trotz des durch antisemitische Gesetzgebung und Boykotte irregulären Geschäftsklimas 1938 ein Umsatz von knapp 600.000 RM bilanziert und Gewinnentnahmen getätigt werden konnten.
1938 endete diese Erfolgsstory. Eine Kommanditgesellschaft mit Hans Gustke (Berlin) und den beiden NSDAP-Mitgliedern Hermann Vick (Braunschweig) sowie dessen Schwiegersohn Fritz Siems (Berlin) kaufte das Unternehmen am 4. August 1938. Eigentümer wurde Vick, Siems avancierte zum „Betriebsführer“. Ende September 1938 verkündeten Bielefelder Tageszeitungen triumphal die Neueröffnung. Anzeigen meldeten, dass die Firma Mosberg „in arischen Besitz übergegangen“ sei. Ungehemmt nutzten die „Ariseure“ das Logo von „M. Mosberg“.
Mit Kriegsbeginn mussten die Nachfolger die Produktion aufgrund behördlicher Anordnung umstellen, so dass das Kerngeschäft (Bauhandwerkerbekleidung) stillgelegt wurde. 1944 folgte der Zusammenschluss mit „Reckmann & Sohn“ zu einer Kriegsbetriebsgemeinschaft. Am 30. September 1944 erlitt das Gebäude Jöllenbecker Straße 5 einen schweren Bombenschaden.
Die beiden letzten jüdischen Geschäftsinhaber waren mit ihren Ehefrauen zuvor am 31. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert worden. Max und Johanna Mosberg brachte man am 23. September 1942 nach Treblinka, wo beide ermordet wurden. Julius und Johanne Mosberg starben 1943 in Theresienstadt.
Nach 1945 klagten die dem Terror entkommenen Kinder der letzten jüdischen Geschäftseigentümer aus den USA und Peru vor dem Landgericht Bielefeld. Statt einer Rückerstattung forderten sie Ausgleichszahlungen, da der Verkauf 1938/39 unter rassenideologischem Druck stattgefunden hatte. Die Verhandlungen zogen sich über Jahre hinweg. Erst 1953 zahlte Vick nach Vergleichsverhandlungen 90.000 DM für den Geschäftswert von „M. Mosberg“. Die wirtschaftlich angeschlagene Firma „Vick und Co.“ war bereits 1951 abgemeldet worden.
Spur aufgenommen und Recherche
Dr. Jochen Rath
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld