Stele für die Opfer der Zwangssterilisationen in Bethel

Die Gedenkstele auf dem Bethelplatz.
Die Gedenkstele auf dem Bethelplatz. P+K, Bethel
Bei der Einweihung des Mahnmals: Einige Vertreter und Vertreterinnen aus der Vorbereitungsgruppe, die Künstlerin Gabriele Undine Meyer (2. vl) und Dorothea Buck (3. vl).
Bei der Einweihung des Mahnmals: Einige Vertreter und Vertreterinnen aus der Vorbereitungsgruppe, die Künstlerin Gabriele Undine Meyer (2. vl) und Dorothea Buck (3. vl). P+K, Bethel
18. Juni 2000
Bethelplatz, 33617 Bielefeld

Ein Erinnerungsort zum Gedenken an die Opfer von Zwangssterilisationen während der Zeit des Nationalsozialismus in Bethel befindet sich auf dem Bethelplatz. Die Stele der Bielefelder Künstlerin Gabriele Undine Meyer wurde am 18. Juni 2000 in einem Festakt feierlich eingeweiht. Vorbereitet und umgesetzt wurde das Mahnmal vom Forum TRIALOG, einem Zusammenschluss von Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Mitarbeitenden, gemeinsam mit dem Betheler Vorstand.

Zur Entstehung

Damals gingen die Initiatoren von mindestens 1.176 sterilisierten ehemaligen Betheler Patienten und Patientinnen aus. Ebenso viele Menschen galt es, an der Umsetzung des künstlerischen Konzepts zu beteiligen. Der von der Initiative verfasste Gedenktext – Mittelpunkt der Stele – wurde von Betheler Mitarbeitenden, interessierten Bielefelder Bürgern und Bürgerinnen, von Klienten und Klientinnen und deren Angehörigen per Hand abgeschrieben, um jedem Opfer persönlich zu Gedenken. Mit der „persönlichen Handschrift“ sollte „ein veräusserlichtes Zeichen des Erinnerns“ gesetzt werden. Die so beschriebenen Papierbögen befinden sich in dem Glaskubus.

Mit dem Abschreiben des Textes zeigten 1.176 Menschen stellvertretend ihre Solidarität mit den Menschen, die den Zwangssterilisationen unterworfen worden waren. Sie übernahmen Verantwortung, aus dem Erinnern zu lernen und die Zukunft menschlich zu gestalten. Indem sie nicht passiv ein gesetztes Denkmal respektieren, sondern es aktiv als ihr eigenes mitgestalteten, zeigten sie, wie aus Erinnern Veränderungshandeln erwachsen kann. Durch die aktive Beteiligung vieler Menschen an diesem Prozess entstand eine erinnernde Verbindung mit den Geschehnissen der Zwangssterilisation und eine Identifikation mit dem Mahnmal wurde möglich“,

so die Künstlerin Gabriele Undine Meyer in der begleitenden Publikation. In diesem Begleitheft finden sich neben Erläuterungen zur Entstehung des Mahnmals, auch Worte des Gedenkens aus dem Festakt am 18. Juni 2000. Dazu gehört vor allem die ergreifende Rede von Dorothea Buck, die in Bethel zwangssterilisiert wurde und die unter der Überschrift „Lebenslang als minderwertig abgestempelt“, stellvertretend für all die anderen Opfer, ihr grausames Schicksal schildert.

Zu den Zwangssterilisationen in Bethel

Das Mahnmal auf dem Bethelplatz folgt dem Verständnis, dass zur Erinnerung auch die historische Forschung gehört. So gingen in Bethel die geschichtlichen Nachforschungen zu den Opfern der Zwangssterilisierungen weiter. Operationsbücher, Aufnahmebücher, Sachakten und Patientenakten wurden ausgewertet. Mit Stand 2020 sind 1.661 Männer und Frauen bekannt, die nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Bethel zwangssterilisiert wurden. Eine kleine Tafel neben der Stele informiert über die erweiterte Anzahl.

Das Gesetz war am 1. Januar 1934 in Kraft getreten. Von den Betheler Ärzten wurde es einhellig begrüßt und rasch umgesetzt. Pflegepersonal oder Ärzte sollten potentiell Betroffene per Antrag beim Gesundheitsamt anzeigen. Über die Anträge auf Unfruchtbarmachung entschieden dann Erbgesundheitsgerichte, die bei den örtlichen Amtsgerichten angesiedelt waren. Lag ein rechtsgültiger Sterilisierungsbeschluss vor, musste der Eingriff vorgenommen werden. In Bethel geschah das in den eigenen Krankenhäusern Gilead, Nebo und Dothan. Von den 1.661 Männern und Frauen, waren 1.078 Betheler Patienten und Patientinnen, 129 Sarepta. 452 kamen von extern, aus Bielefeld und den umliegenden ländlichen Regionen, von zwei Männern die Herkunft ließ sich nicht aufklären. Die Diagnosen lauteten vor allem Epilepsie, „Schwachsinn“ und Schizophrenie. In elf Fällen war die Sterilisation einer Frau mit einem Schwangerschaftsabbruch verbunden. Zwei Menschen starben im Zusammenhang mit der Zwangssterilisation.

Spur aufgenommen und Recherche
Kerstin Stockhecke
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel

Literatur

  • Wolf, Bernward (Hrsg.), Lebenslang als minderwertig abgestempelt. Das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer von Zwangssterilisationen während der NS-Zeit in Bethel. Dokumentation, Hintergründe, Fragen an gegenwärtiges Handeln (Bethel-Beiträge 56), Bielefeld 2001.

Literatur zu den Zwangssterilisationen (Auswahl)

  • Hochmuth, Anneliese, Spurensuche. Eugenik, Sterilisation, Patientenmorde und die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel 1929-1945, hrsg. von Matthias Benad, Bielefeld 1997.
  • Hulverscheidt, Marion / Kaminsky, Uwe, Der Chirurg der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel: Richard Wilmanns (1880–1958) – medizinhistorische Erkenntnisse und deren veränderte Wahrnehmung, in: Rauh, Philipp / Voggenreiter, Marion / Ude-Koeller, Susanne / Leven Boehlau, Karl-Heinz (Hrsg.), Medizintäter Ärzte und Ärztinnen im Spiegel der NS-Täterforschung, NN 2021 (im Erscheinen).
  • Kaminsky, Uwe, Paternalistische Verschwiegenheit – Bethel, die Zwangsterilisation und die NS-„Euthanasie“, in: Lippische Mitteilungen 89 (2020), S. 69-87.
  • Schmuhl, Hans-Walter, Ärzte in der Anstalt Bethel 1870–1945, Bielefeld 1998 [S. 29–56: zum Zeitraum 1929 bis 1945, S. 71–75: Rudolf Boeckh, S. 76–80: Carl Schneider, S. 80–86: Werner Villinger, S. 86–88: Gerhard Schorsch].
  • Schmuhl, Hans-Walter, Gilead im Nationalsozialismus, in: Stockhecke, Kerstin / Schmuhl, Hans-Walter (Hrsg.), Von Anfang an Evangelisch. Geschichte des Krankenhauses Gilead in Bielefeld, Bielefeld 2014, S. 318-333.

Quellen

  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel ÄrzteEcka, 62.
  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel VorSchop, 111.
  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel VorEng, 102.
Veröffentlicht am und aktualisiert am 25. Januar 2022

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