Trotz der Zerstörung und des kommenden Kriegsendes fuhr der Transport XI/5 am 13. Februar 1945 in Münster ab und ist am 15. Februar in Hildesheim belegt. Für Bielefeld, wo unter anderen die 74-jährige Witwe Fanny Pakebusch zustieg, kann daher mit Vorsicht die Abfahrt am 14. Februar angenommen werden. Mit insgesamt 58 Menschen unternahm der Zug die beschwerliche Fahrt nach Theresienstadt, die angesichts der Störungen aufgrund der Nähe zur Frontlinie ganze sieben Tage dauerte. Es sollte die letzte Deportation aus Münster und Umgebung sein.
Fanny Pakebusch ist am 4. Dezember 1870 in Bielefeld geboren und aufgewachsen. Sie besuchte die erste Bürgerschule Bielefelds im „Rosenhof“ an der Kreuzstraße und heiratete am 15. Oktober 1895 den jüdischen Handelsmann Louis Aron, von welchem sie sich vier Jahre später scheiden ließ. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Rika und Johanna Aron. Am 7. April 1900 heiratete sie erneut, den evangelischen Schneider August Friedrich Pakebusch, weshalb sich Fanny taufen ließ. Gemeinsam hatten sie vier Kinder:
Am 23. Juli 1915, im Alter von 44 Jahren, verstarb ihr Mann August im Sankt Franziskus Hospital, woraufhin die Witwe im März 1918 in eine Einzimmerwohnung in der Turmstraße 1 verzog.
Als Witwe einer sogenannten „Mischehe“ hatte Fanny den Schutz ihres „arischen“ Ehemannes verloren und war ab 1. Januar 1939 wie so viele andere gezwungen, neben ihrem bisherigen Namen den Vornamen „Sara“ anzunehmen. Darüber hinaus musste sie nach der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. September 1941 den „Judenstern“ tragen. Als ab 1944 zunehmend „Mischlinge“ und „Mischehen“-Angehörige in den Fokus des NS-Regimes gerieten, wurde auch im Gestapobezirk Bielefeld versucht, dieser „privilegierten Juden“ habhaft zu werden. Im Zuge der Anweisung des Reichshauptamtes vom Januar 1945, „alle noch freien oder auch schon in Arbeitslagern konfinierten Juden“ zu verhaften und nach Theresienstadt zu deportieren, wurde auch Fanny im Februar 1945 von der Gestapo angezeigt und der „Allgemeinen Judenaktion“ zugeführt.
Auch ihre Kinder blieben nicht verschont vor Diskriminierung und Verfolgung. Ihre beiden zuvor von der Wehrmacht eingezogenen Söhne Martin und Kurt sind im November 1940 bzw. Mai 1941 als „Halbjuden“ aus dem Wehrdienst entlassen worden. Martin wurde daraufhin von Juni 1943 bis Mai 1945 zwangsweise in der Rüstungsindustrie als Hilfsträger eingesetzt, wohingegen Kurt von April 1944 bis April 1945 im Arbeitslager der paramilitärischen Bautruppe „Organisation Todt“ in Störmede bei Geseke/Kreis Lippstadt interniert wurde.
Am 14. Juni 1945 kehrte Fanny nach Bielefeld zurück in ihre Wohnung in der Turmstraße, in die während ihrer Abwesenheit eingebrochen wurde. Fanny beantrage 1946 ein Wiedergutmachungsverfahren. Ihren Lebensabend verbrachte sie im Altersheim Pertheshaus (Ernst-Rhein-Str. 21), wo sie am 26. Mai 1956 verstarb.
Spur aufgenommen und Recherche
Philipp Radde