Am 14. April 1933 flüchtete der in Bielefeld geborene Emil Gross ins niederländische Exil, um der erneuten Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen. Als aktives Mitglied der SPD, des Sozialistischen Studentenbunds und als Vorstandmitglieds der Sozialistischen Studentenschaft Deutschlands und Österreichs war er vom 1. April bis 4. April das erste Mal von den Nationalsozialisten in Berlin inhaftiert worden. In Amsterdam lebte er unter dem Namen „Jan van Dyck“ oder „Jan van Dick“ in der Lekstraße 72. Emil Gross hatte schon vor seiner Flucht Beziehungen nach Amsterdam: Im Mai 1926 nahm er am internationalen sozialistischen Jugendtag teil.
Im niederländischen Exil brachte er ab 1934 die Exil-Zeitung „Freie Presse“ heraus, deren Verteilung über das Ruhrgebiet auch nach Ostwestfalen gelang. Wie bei seiner Flucht unterstützte ihn seine spätere Ehefrau Maria Schmidt, die er 1923 in Bielefeld kennengelernt hatte. 1936 wurde er von dem NS-Regime als staatenlos erklärt, am 2. April 1941 in Amsterdam festgenommen und am 2. September 1941 in Hamm wegen Hochverrats zu zwei Jahren und drei Monaten (2. April 1941 bis 15. Juli 1943) Zuchthaus verurteilt. Die Strafe verbüßte er im Strafgefangenenlager Oberems Gütersloh.
Der heutige Emil Gross Platz ist am 29. August 1985 nach ihm benannt worden und erinnert an den einflussreichen SPD-Politiker und Zeitungsverleger in Bielefeld und in Nordrhein-Westfalen.
Emil Gross wurde am 06. August 1904 in Bielefeld geboren. Nach der Schule machte er zunächst eine kaufmännische Lehre. Als Sohn einer Arbeiterfamilie, die in der Rolandstraße lebte, einem typischen Arbeitermilieu in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, engagierte er sich schon mit 15 Jahren in der Sozialistischen Proletarierjugend und trat 1923 der SPD bei. Sein politischer Arbeitsschwerpunkt blieb in der Sozialistischen Jugend. Aufgrund seiner innerparteilichen Aufgaben bekam er Kontakt zu Publizistik. Sein Studium der Staatswissenschaften in Berlin konnte er aufgrund seiner Flucht nicht beenden. 1959 wurde er nach §118 BEG mit 5.000 Mark als politisch Verfolgter entschädigt – hingegen wurden weitere Anträge auf Wiedergutmachung für einen erlittenen Berufsschaden sowie im Rentenverfahren abgelehnt. Er selbst und vornehmlich seine Frau Maria Schmidt unterstützten in der Nachkriegszeit zahlreiche politisch Verfolgte in den Wiedergutmachungsprozessen.
Nach der Kapitulation und Befreiung von den Nationalsozialisten waren Emil Gross und Carl Severing wichtige Akteure der SPD-Wiedergründung des Kreisvereins Bielefeld-Stadt, des Unterbezirks Bielefeld-Halle-Wiedenbrück und des Bezirks Ostwestfalen-Lippe. Seit 1946 gehörte Emil Gross dem Stadtrat Bielefeld und 1946 bis 1967 dem Landtag Nordrhein-Westfalen an, den er mitgegründet hatte. Dort leitete er den Hauptausschuss von 1956 bis 1958. Seit 1950 war er außerdem Mitglied des Wiedergutmachungsausschusses, dem er seit 1962 vorsaß.
Seit 1946 verlegte er die “Freie Presse” in Bielefeld, die Anfang Juli 1967 sehr plötzlich mit der Westfälischen Zeitung zur “Neuen Westfälischen” fusionierte. Hintergrund war eine schlechte wirtschaftliche Lage der Freien Presse, auch aufgrund verschiedener Entscheidungen von Emil Gross. Es wird vermutet, dass er die Fusion nicht unterstützt hätte. Er verstarb jedoch zuvor am 19. Februar desselben Jahres in Bielefeld an den Folgen eines Schlaganfalls.
Spur aufgenommen und Recherche
Jan-Willem Waterböhr, M.A.
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld