Im Zuge der nationalsozialistischen Aufrüstungspolitik entstanden in den 1930er Jahren zunächst zwei Bekleidungsämter der Luftwaffe – in Berlin und Sonneberg. Ab 1938 wurde in Bielefeld ein weiteres gebaut. Es umfasste, nach den Plänen des Wuppertaler Architekten Peter Klotzbach, ein etwa 45.000 m2 großes Fabrikgebäude und rund 244 Wohnungen in der „Luftwaffensiedlung“ nördlich der Heeper Straße.
Das Erdgeschoss der Anlage wurde für die gesamte Abfolge von An- und Abtransport, Registrierung, Buchung, Weiterverarbeitung, Schuhmacherei und Lagerung der fertigen Bekleidung konzipiert. Das erste Geschoss war für die Näh- und Zuschneidearbeiten, sowie der Instandsetzung vorbehalten. Zweites- und Dachgeschoss waren als Stofflager und der Keller als Bunker konzipiert. Für einen reibungslosen Ablauf waren Bahngleise bis in die große Halle verlegt und an das öffentliche Bahnnetz angeschlossen worden. Somit konnten Züge vom Bielefelder Güterbahnhof direkt in das Gebäude einfahren. Ferner wurden große Lastenaufzüge installiert, um den Transport der Waren innerhalb des Gebäudes zu gewährleisten.
Die Bauzeit von rund 1,5 Jahren konnte vor allem durch die gängige Eisenbeton-Skelettbauweise eingehalten werden. Dies spiegelte dabei den typischen NS-Baustil wider. In diesem wurde „Industrie-Schnellbau“ in lokale Architektur eingebettet, um sich der Umgebung anzupassen und zudem möglichst unauffällig zu sein.
Das Produktionsgebäude war für rund 1200 Arbeitskräfte, 50 weitere Angestellte und 5 Offiziere der Luftwaffe konzipiert worden. Diese fertigten vom einfachen Schuh bis zum gefütterten Fliegerstiefel, von Fliegerblusen und schweren Offiziersmänteln bis zum Morgenmantel für Luftwaffenhelferinnen alle notwendigen Utensilien der Luftwaffe. Ferner gehörten auch Fallschirme zu den wichtigsten Gütern. Viele Firmen aus Bielefeld und dem Umland produzierten dazu benötigtes Rohmaterial, auch Waren aus Holland wurden geliefert.
Da durch die enge staatliche Lenkung der Kriegswirtschaft unmittelbar in die regionale Wirtschaft eingegriffen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass auch im Luftwaffenbekleidungsamt Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt und ausgebeutet wurden. Durch fehlende einschlägige archivische Überlieferung und einer Verlagerung der entsprechenden Koordination über die einzelnen Firmen, lassen sich jedoch quasi keine aufschlussreichen Aufzeichnungen hierzu finden. Eine genaue Zahl konnte somit noch nicht ermittelt werden.
Trotz des fortschreitenden Krieges und Produktionsverlagerungen sollen die Lagerwerte des Bekleidungsamtes im Jahr 1944 noch rund 60 Millionen RM betragen haben. Während eines Luftangriffs 1944 schlugen drei Bomben im Gebäude ein und richteten dabei einige Zerstörungen an. Die Produktion konnte jedoch fortgesetzt werden, sodass die Bielefelder am 3./4. April 1945 einen reichhaltigen Vorrat an Bekleidung, Stoffen und Schuhwerk vorfanden. Diese Tage der „Plünderung“ setzten sich in vielen Köpfen der Bielefelder fest, da sie sich hier mit lebensnotwendigen Utensilien für die ersten Nachkriegsjahre versorgen konnten.
Nach dem Krieg nutzte die Britische-Rhein-Armee das Gebäude unter der Bezeichnung „Richmond Barracks“ in gleicher Funktion bis 1992 weiter. Ab diesem Zeitpunkt standen einige Gebäudeteile leer und wurden dem Verfall preisgegeben. Durch den seit 1994 bestehenden Denkmalschutz ist das Gebäude als einziges noch erhaltenes Bekleidungsamt eines der wichtigsten Zeugnisse der NS-Baukultur von überregionaler Bedeutung. Ferner lässt sich das Luftwaffenbekleidungsamt somit auch in die Kontinuitätslinien der oftmals unzureichenden NS-Täter Aufarbeitung setzen, da die ursprüngliche Nutzung nach dem Krieg weitergeführt wurde und mit dem Umbau entsprechend Möglichkeiten verloren gegangen sind.
Spur aufgenommen und Recherche
Felix Tiemann
MyHistoryMap OWL, Haus Neuland