Ausweis- und Kennzeichnungspflicht für zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Ausweis mit Lichtbild von Antonina Golubowa, ausgestellt von der Druckerei Georg Bode.
Ausweis mit Lichtbild von Antonina Golubowa, ausgestellt von der Druckerei Georg Bode. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,2/Arntzen-Leichtbau AG, Nr. 2.
Passfoto von Sina O. mit OST-Abzeichen.
Passfoto von Sina O. mit "Ostabzeichen". Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,2/Arntzen-Leichtbau AG, Nr. 2.
Vorlage für den Druck des „OST“-Abzeichens für Arbeitskräfte aus dem Osten, 1942.
Vorlage für den Druck des „OST“-Abzeichens für Arbeitskräfte aus dem Osten, 1942. Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,2/Arntzen-Neubau AG, Nr. 2.
8. März 1940
Ravensberger Straße 61, 33602 Bielefeld

Zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern

unterlagen ab dem 8. März 1940 einer Ausweis- und Kennzeichnungspflicht. Die Ausweise wurden in Bielefeld u.a. in der Druckerei Georg Bode in der Ravensberger Str. 61 gedruckt. Im Gegensatz zu kriegsgefangenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern hatten zivile neben ihren zwölfstündigen Arbeitsschichten gelegentlich Ausgang. Wenn es möglich war, nutzten viele diesen, um durch zusätzliche Arbeit bei Bauern oder in zivilen Haushalten etwas Nahrung zu erhalten, da die ihnen zugestandenen Rationen unzureichend waren und sie permanent Hunger litten. Der essentielle Unterschied zwischen kriegsgefangenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und zivilen bestand darin, dass erste durch schwerste Zwangsarbeit bei völlig unzureichender Ernährung und hygienischer Verhältnisse vernichtet wurden, während den zivilen bei minimalster Ernährung ein größt- und möglichst langfristiger Arbeitseinsatz abgepresst wurde.

Im Ausweis ist festgelegt, was den zivilen sowjetischen Zwangsarbeiterinnen während des Ausgang nicht gestattet war:

Nach Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan und Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (Anweisung der Geheimen Staatspolizei) ist den Ostarbeitern verboten: öffentliche Veranstaltungen, Kirchen, Filme, Varietes, Wirtschaften, Kaffees, usw. zu besuchen, sich mit deutschen Volksgenossen zu unterhalten, einzukaufen, Geschenke zu machen oder anzunehmen. Sie dürfen die elektrische Straßenbahn nicht benutzen und sind ausdrücklich verpflichtet, das OST-Abzeichen sichtbar zu tragen und unter Führung der Obengenannten geschlossen zusammen zu bleiben. Bei irgendwelchen Verstößen ist sofort die nächste Polizeistelle oder der Lagerführer (Ruf: 6720) zu benachrichtigen.“ (StArchBi, Best. 210,2, Nr. 2)

Spur aufgenommen und Recherche
Carsten Seichter
Blumen für Stukenbrock, e.V.,
DGB Arbeitskreis Zwangsarbeit in Bielefeld im NS,
Ortsgruppe Gegen Vergessen – für Demokratie

Literatur

  • Herbert, Ulrich, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des “Ausländer-Einsatzes” in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn 1999
  • Spoerer, Mark, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart 2001
  • Streit, Christian, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945, Bonn 1978

Quellen

  • § 1 Abs. 1 RGBl. I (1940), S. 555 f.: Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung im Reich eingesetzter Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums, 8. März 1940. URL
  • Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 210,2/Arntzen-Leichtbau AG, Nr. 2
Veröffentlicht am und aktualisiert am 27. November 2024

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