Am Montag, den 7. August 1933 hielt der Oberst der Bielefelder Schützengesellschaft Herbert Delius (DVP-Mitglied, seit 1. Mai 1933 NSDAP) folgende Ansprache zu einem der Hauptprogrammpunkte des mehrtägigen Schützenfestes auf dem Johannisberg, der Weihung der Adolf-Hitler- und der Hindenburg-Eiche:
„Heute – im Jahre der deutschen Erhebung [Machtergreifung] – wollen wir in treuer Dankbarkeit des Mannes gedenken, der uns herausgerissen hat aus der Uneinigkeit und Verzweiflung. […] Ihm sei diese Eiche geweiht. Adolf-Hitler-Eiche sei hinfort ihr Name!“
Weiter:
„Den schönsten und härtesten Eichenbaum des Johannisberges haben wir für würdig erachtet, den Namen unseres Führers aus dem Weltkriege und unseres Reichspräsidenten von Hindenburg zu tragen. Dieser Eichenbaum hat von hier oben heruntergeschaut auf die Stadt Bielefeld und die ganze Entwicklung von kleinen Landstädtchen bis zur Großstadt mitgemacht. […] Er hat aber bisher noch nicht mitgemacht ein Schützenfest, bei dem sich alle Mitbürger Bielefelds in Einigkeit und Freundschaft hier oben auf dem Johannisberge die Hände reichen. Mögest du, deutsche Eiche, erleben, daß das, was Hindenburg und Hitler im Jahre der Erhebung des deutschen Volkes eingeleitet haben, restlos durchgeführt wird. Um unseren Dank für unsern unvergleichlichen Führer im Weltkriege und unsern ehrwürdigen Reichspräsidenten Ausdruck zu verleihen, weihe ich dich, du deutsche Eiche, auf seinen Namen. Dein Name sei hinfort ‚Hindenburgeiche‘.“ (Westfälische Neueste Nachrichten, 8. August 1933)
Anschließend wurde zusammen mit Männern des Stahlhelms, der SA und SS das „Horst-Wessel“-Lied gesungen – ein Flugzeug ließ einen „Blumengruß fallen“.
Mit der Weihe der zwei Eichen auf dem neu konzipierten Schützenfest als Volksfest war der Schulterschluss mit den neuen Machthabern unter der „Volksgemeinschaft“ auch symbolisch vollzogen und gefeiert worden. Der aktive Anschluss kam der Gleichschaltung zuvor. Mit der räumlichen Linie der Eichen wurde zwischen Hitler und Hindenburg inszeniert, was unter der national-konservativen Präsidialpolitik Hindenburgs 1930 einen Ursprung fand und sich in der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler fortgesetzt hatte: Der Schulterschluss zwischen konservativen und nationalen Kreisen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik mit den Nationalsozialisten nach der „Machtergreifung“ am 30. Januar und dem „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933. Sie hatten die Abschaffung der Demokratie, des Parlamentarismus und der Parteienvielfalt zum Ziel. Auf dem Johannisberg reichte man sich im August 1933 in Einigkeit und Freundschaft die Hände, während seit Februar 1933 auch in Bielefeld Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten u.a. verfolgt, verprügelt und verhaftet wurden.
Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934), Generalfeldmarschall und Chef der Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg, war für militaristische Kreise des Bürgertums eine Identifikationsfigur. Er bot vornehmlich den konservativen und nationalen bis nationalistischen Milieus der Weimarer Republik eine Brücke, sowohl zum Staat als auch zu dessen Opposition. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichkanzler ist in der Forschung lange umstritten gewesen, gilt inzwischen aber als beabsichtigtes, politisches Manöver Hindenburgs gegen die liberalen, sozialdemokratischen und sozialistischen Kräfte.
Der Kult um Paul von Hindenburg war in den Schützenvereinen weit verbreitet, auch in Bielefeld. Sie suchten schon vor 1933 die Nähe zu paramilitärischen Verbänden wie dem Stahlhelm und auch zu den Nationalsozialisten – umgekehrt nutzen die Nationalsozialisten die in der Tradition des Kaiserreichs stehenden Schützenvereine, um in das bürgerliche Lager vorzudringen. Anfang Mai versicherten Verwaltungsrat und Schützenausschuss der Bielefelder Schützengesellschaft im ersten Treffen nach der „Machtergreifung“ ihre Unterstützung für Hindenburg und „Volkskanzler“ Hitler, zu deren Ehren Eichen geweiht werden sollten.
Damit griff die Bielefelder Schützengesellschaft auf ein bewährtes Mittel zur Ehrung von Personen oder politischen Vorgängen zurück. Weiheichen auf dem Johannisberg zur Ehrung des Friedens und der Gefallenen sind für den Krieg 1870/71, den Ersten Weltkrieg 1914-1918 und die Beendigung der Rheinlandbesetzung 1930 bekannt. 1934 wurde im Rahmen des Schützenfests eine weitere Eiche für die als „Märtyrer der Bewegung“ verklärten Leo Schlageter und Horst Wessel geweiht. Auch nach dem Krieg hielt die Bielefelder Schützengesellschaft an dem Brauch fest und weihte zu Ehren des langjährigen Obersts die „Herbert-Delius“-Eiche. 1952 weihten Vertriebene die „Pommern“-Eiche.
In Brackwede, Jöllenbeck, Ummeln und in Mitte – u.a. im Bürgerpark (damals Adolf-Hitler-Park) – sind weitere Adolf-Hitler-Eichen erwähnt. Sie wurden überwiegend anlässlich des „Führergeburtstags“ oder des 1. Mais gepflanzt.
Ob die Adolf-Hitler-, Friedens- und Schlageter/Wessel-Eichen noch heute stehen, ist nicht mehr zu klären. Sichtbar sind nur noch die Hindenburg-, Pommern- und Herbert-Delius-Eichen, die mit Eisengittern umzäunt sind. Oberflächlich betrachtet ehrt die Hindenburg-Eiche den Reichspräsidenten – im Spiegel ihrer Entstehung steht sie jedoch für die „Volksgemeinschaft“, die wenige Wochen vor der Beschlussfassung des Ermächtigungsgesetzes beim „Tag von Potsdam“ demonstriert und inszeniert worden war.
Spur aufgenommen und Recherche
Jan-Willem Waterböhr M.A. (Erstversion (pdf))
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld
Weitere Recherchen
Harald Klein