Her­mann Fe­der­mann – jü­di­scher Pa­ti­ent in Be­thel

Das Pflegehaus Patmos in den 1930-er Jahren.
Das Pflegehaus Patmos in den 1930-er Jahren. Hauptarchiv Bethel F 2161.
Ärztlicher Bericht vom 13.09.1940 aus der Patientenakte.
Ärztlicher Bericht vom 13.09.1940 aus der Patientenakte. Hauptarchiv Bethel Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 10.
Der Stolperstein für Hermann Federmann im Karl-Siebold-Weg 3 in Bethel.
Der Stolperstein für Hermann Federmann im Karl-Siebold-Weg 3 in Bethel. Hauptarchiv Bethel
21. Sep­tem­ber 1940
Karl-Sie­bold-Weg 3, 33617 Bie­le­feld

An­fang Sep­tem­ber 1940 er­hielt die An­stalts­lei­tung ei­nen Er­lass des Reichs­mi­nis­ters des In­nern. Die jü­di­schen Men­schen soll­ten in der Lan­des­heil- und Pfle­ge­an­stalt Wunstorf bei Han­no­ver un­ter­ge­bracht wer­den. An­fang Sep­tem­ber 1940 er­hielt die An­stalts­lei­tung ei­nen Er­lass des Reichs­mi­nis­ters des In­nern. Die jü­di­schen Men­schen soll­ten in der Lan­des­heil- und Pfle­ge­an­stalt Wunstorf bei Han­no­ver un­ter­ge­bracht wer­den. Her­mann Fe­der­mann er­blick­te am 18. März 1930 als äl­tes­ter Sohn von Abra­ham und Char­lot­te Fe­der­mann, ge­bo­re­ne Sil­ber­berg, in Han­no­ver das Licht der Welt. Sein Va­ter kam aus Po­len und war Schnei­der von Be­ruf. Die Fa­mi­lie Fe­der­mann leb­te in Han­no­ver in der Ca­len­ber­ger Neu­stadt nahe der Syn­ago­ge der jü­di­schen Ge­mein­de. Am 21. Ok­to­ber 1935 wur­de dort auch Her­manns jün­ge­rer Bru­der Ra­fa­el ge­bo­ren.

En­ze­pha­li­tis mit 14 Mo­na­ten

Im Al­ter von nur et­was mehr als ei­nem Jahr er­krank­te der klei­ne Her­mann schwer an En­ze­pha­li­tis, ei­ner meist durch Vi­ren ver­ur­sach­ten, le­bens­be­droh­li­chen Ge­hirn­ent­zün­dung. Seit­dem war er geis­tig be­hin­dert und litt an Epi­lep­sie. Mit zwei Jah­ren brach­ten sei­ne El­tern ihn zum ers­ten Mal in die Pro­vin­zi­al­an­stalt Lan­gen­ha­gen. Auch wenn die epi­lep­ti­schen An­fäl­le spä­ter we­ni­ger wur­den, konn­te eine Bes­se­rung sei­ner geis­ti­gen Be­hin­de­rung nicht mehr er­war­tet wer­den.

Am 28. Juli 1937 emi­grier­ten die Fe­der­manns mit ih­rem jüngs­ten Sohn nach Ar­gen­ti­ni­en. Her­mann blieb nun ganz in der Ob­hut der An­stalt Lan­gen­ha­gen. Als die­se ei­nen an­de­ren Ar­beits­schwer­punkt er­hielt, kam der ge­ra­de acht Jah­re alt ge­wor­de­ne Her­mann nach Be­thel. Am 22. März 1938 zog er in Pat­mos, ei­nem Pfle­ge­haus für schwerst­mehr­fach be­hin­der­te Kin­der, ein.

Im Haus Pat­mos scheint es Her­mann gut ge­fal­len zu ha­ben. „Der Klei­ne hat sich in Be­thel gut ein­ge­lebt und fühlt sich of­fen­bar ganz wohl“, ließ der Lei­ten­de Arzt ei­nem da­mals noch in Han­no­ver le­ben­den On­kel am 28. April 1938 aus­rich­ten.

Her­mann Fe­der­mann galt als „Be­wah­rungs­fall“

Im Jahr 1940 wur­de ihm in ei­nem ärzt­li­chen Be­richt eine „dau­ern­de An­stalts­pfle­ge­be­dürf­tig­keit“ be­schei­nigt. An­fang Sep­tem­ber 1940 er­hielt Be­thel vom Reichs­mi­nis­ter des In­ne­ren den Er­lass, dass alle jü­di­schen Be­woh­ner in die Lan­des- und Pfle­ge­an­stalt Wunstorf ver­legt wer­den müs­sen. Die sys­te­ma­ti­sche Er­mor­dung von jü­di­schen Men­schen, die in ei­ner An­stalt leb­ten, wur­de in ei­ner „Son­der­ak­ti­on“ im Rah­men der „Ak­ti­on-T4“ be­schlos­sen. Sie­ben jü­di­sche Be­woh­ner und Be­woh­ne­rin­nen wur­den am 21. Sep­tem­ber 1940 von Be­thel nach Wunstorf ge­bracht, un­ter ih­nen auch der jüngs­te, ge­ra­de mal zehn Jah­re alte Her­mann Fe­der­mann. Ei­ni­ge Tage spä­ter, am 27. Sep­tem­ber 1940, ka­men sie von dort in die Tö­tungs­an­stalt Bran­den­burg/​Ha­vel, wo sie er­mor­det wur­den.

Zwei Stol­per­stei­ne er­in­nern an Her­mann Fe­der­mann

  • In Bielefeld im Karl-Siebold-Weg 3: Hier lebte Hermann Federmann von 1938 bis 1940 im Pflegehaus Patmos
  • In Hannover am nordöstlichen Ende der Wagenerstraße: Auf dem Gelände, auf dem heute das Haus kirchlicher Dienste steht, wohnte die Familie Federmann bis Juli 1937

Spur aufgenommen und Recherche
Bea­te Böhm
Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel

Li­te­ra­tur

  • Stockhecke, Kerstin, September 1940: Die „Euthanasie“ und die jüdischen Patienten in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, in: Brack, Claudia / Burkardt, Johannes / Günther, Wolfgang, Murken, Jens (Hrsg.), Kirchenarchive mit Zukunft. Festschrift für Bernd Hey zum 65. Geburtstag, Bielefeld 2007, S. 131-142.

Quel­len

  • Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (HAB) Sonderbestand jüdische Patientinnen und Patienten, 10.
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