Johannes Waltenberg wurde 1902 in Wittenberg, im heutigen Sachsen-Anhalt, geboren. In den 1920er Jahren zog er nach Bielefeld-Gadderbaum, wo er zunächst in einer Buchbinderei in Bethel tätig war. 1927 schloss er seine Meisterprüfung ab und durfte sich Buchbindemeister nennen. Wenig später heiratete er. Zusammen mit seiner Frau bekam er drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter.
Schon kurz nach dieser Zeit begann er sich politisch einzubringen. 1929 trat er der NSDAP bei, was ihm den Weg für eine steile Karriere im Nationalsozialismus eröffnete. 1933 wurde er schließlich Bürgermeister von Gadderbaum. Von da an lenkte der überzeugte Nationalsozialist die Geschicke des damals noch eigenständigen Stadtteils von höchster Stelle und lebte mit einem für damalige Verhältnisse hohen Gehalt von 670 Reichsmark monatlich. Trotzdem forderte er immer wieder eine Erhöhung seiner Bezüge und nahm sich zahlreiche Urlaube, selbst noch in den ersten Kriegsjahren.
Neben seinem Amt führte Waltenberg ein Verhältnis mit seiner Angestellten Erna Indiesteln. Mit ihr verband ihn nicht nur eine Liebesaffäre, sondern auch ein gemeinsames Verbrechen. Beide hatten Zugang zu dem Tresor, in dem die Lebensmittelkarten des Amtes verwahrt wurden. Schon 1939 begannen sie, Karten zu entwenden. In einer Zeit strenger Rationierung galt ein solches Verhalten vor allem aus Sicht des NS-Regimes als schweres Vergehen.
Eine Mitarbeiterin beobachtete wiederholt, dass Waltenberg nach Dienstschluss allein im Ernährungsamt in der Graf-Baudissin-Straße 26 (heute Königsweg) anwesend war. Spätestens seit dem 1. März 1943 fiel auf, dass plötzlich keine Karten mehr verschwanden, vermutlich, weil sie vorsichtiger wurden. Doch am 31. Mai 1943 kam die Wahrheit ans Licht. Bei Durchsuchungen fand man insgesamt mehr als 60 Lebensmittelkarten bei Waltenberg aber auch in Erna Indiestelns Wohnung.
Am 23. Juni 1943 wurde Waltenberg verhört. Schnell stellte sich heraus, dass er zusammen mit Erna Indiesteln für die Diebstähle verantwortlich war. Er selbst gab zu, dass bereits 1939 die ersten Karten entwendet worden waren. Das NS-Sondergericht verhandelte die Sache streng. Am 5. November 1943 fiel das Urteil: Todesstrafe für Waltenberg. Für Erna Indiesteln bedeutete es drei Jahre Zuchthaus und den Verlust ihrer bürgerlichen Rechte. Dass der Bürgermeister selbst stahl, obwohl er sehr gut bezahlt war und sich Freiheiten herausnahm, wurde als besonders schwerer Vertrauensbruch und Missachtung des Prinzips der „Volksgemeinschaft“ gewertet. Die Strenge des Urteils sollte verhindern, dass die Bevölkerung den Glauben an ihre Obrigkeit und damit den NS-Staat verlor.
Am 14. Dezember 1943 wurde Waltenberg in der zentralen Hinrichtungsstätte in Dortmund hingerichtet. Um 17:34 Uhr starb er unter dem Fallbeil. Seine Geliebte kam ins Zuchthaus, wurde aber 1945 nach Kriegsende begnadigt und zog bald darauf nach Löhne.
Für das Amt in Gadderbaum blieb ein bitterer Nachgeschmack. Waltenberg hatte nicht nur seine Familie ins Unglück gestürzt (seine Frau starb nur wenig später), sondern auch sein Amt missbraucht. Er hatte es nicht nötig gehabt, Lebensmittel zu stehlen und doch tat er es. Verrat, Lügen und Gier führten am Ende zu seinem Untergang.
Spur aufgenommen und Recherche
Zanfina Sahitolli, Mavie Nestroy
Rudolf Rempel Berufskolleg